Landtagswahl im Bayern:Die SPD im Dauertief

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Die Partei freut sich über die Schlappe der CSU und weiß doch, dass sie selbst nicht davon profitieren wird.

Uwe Ritzer und Katja Auer

Wolfgang Hoderlein hört als Landtagsabgeordneter auf, und so kann der ehemalige SPD-Landesvorsitzende unbefangen reden. "Ein historisches Ereignis, nur scheiße, dass wir nicht dabei gewesen sind", kommentiert er den desaströsen Einbruch der CSU, die die Partei die Alleinherrschaft in Bayern kostet.

Kommt trotz des CSU-Debakels kaum aus ihrem Schattendasein heraus: die bayerische SPD (Foto: Foto: dpa)

Doch ausgerechnet die größte Oppositionspartei hat nichts davon, im Gegenteil. Die SPD sackt sogar auf 18,8 Prozent, das sind 0,8 Prozentpunkte weniger als 2003. Das ist ein historischer Tiefstand bei den Wahlen im Nachkriegs-Bayern.

"Dass eine Volkspartei 17 Prozent verliert und die andere gar nichts davon hat, das hat es ja noch nie und nirgends gegeben", sinniert Hoderlein. Was daran schuld sei? "Unsere Politik des Bauchladens", entfährt es dem Kulmbacher spontan. Eine halbe Stunde später formuliert er abgeklärter, aber in der Analyse nicht weniger deutlich: "Der Befund der bayerischen SPD ist seit vielen Jahren der gleiche", sagt Hoderlein.

"Die extrem fleißige und kundige Sachpolitik im Landtag kann nicht verhindern, dass die SPD in Bayern als Partei ohne Image, ohne Alleinstellungsmerkmal, ohne kulturelle Prägung und ohne emotionale Haltung wahrgenommen wird", sagt Hoderlein. So gehe das nun schon seit 20 Jahren.

Und jetzt? Von personellen Konsequenzen in der bayerischen SPD will am Wahlabend niemand etwas hören. Die üblichen Reflex-Mechanismen mit dem Austausch der Verantwortlichen griffen zu kurz, heißt es bei der SPD-Wahlparty im Landtag immer wieder. Nirgendwo dränge sich zudem ein zugkräftiger neuer Spitzenmann auf, der an die Stelle von Franz Maget treten könnte. Und selbst wenn: Die SPD habe auch in den neunziger Jahren verloren, obwohl Renate Schmidt durchaus eine Person mit Strahlkraft gewesen sei. Die Ratlosigkeit in eigener Sache ist im SPD-Saal im ersten Stock des Maximilianeums förmlich greifbar.

Franz Maget will am Wahlabend kein Zukunftsbild entwerfen. "Wir werden das Ergebnis intern in den kommenden Tagen genau analysieren und dann daraus unsere Schlüsse ziehen", spricht er so oder so ähnlich den ganzen Abend über in jedes Mikrophon, das ihm hingehalten wird. Erste Solidaritätsadressen werden abgesetzt.

"Wir haben Wahlkampf im Team gemacht, und für personelle Konsequenzen gibt es überhaupt keinen Anlass", sagt Fraktionsvize Thomas Beyer, der selbst als eines der sozialdemokratischen Nachwuchstalente im Freistaat gilt. Magets Vorgänger Hoderlein ist vorsichtiger, schließlich erlebte er als Spitzenkandidat vor fünf Jahren, wie schnell es gehen kann. "Da stand ich hier wie jetzt der Maget, und nach einer Stunde war ich weg", sagt er.

Doch Franz Maget fühlt sich - Stimmenminus hin oder her - ohnehin nicht als Verlierer. "Schließlich haben wir die Themen in diesem Wahlkampf gesetzt, mit denen die CSU halbiert wurde", sagt er. Also hat er für die kommenden Tage allerhand Termine vereinbart. Mit Grünen, Freien Wählern und FDP will er über eine Regierungskoalition sprechen, selbstredend mit ihm als Ministerpräsidenten.

"Schließlich gibt es jetzt eine Mehrheit jenseits der CSU in Bayern", sagt Maget. Der Wunsch ist dabei allerdings der Vater des Gedankens. Mit den Grünen wäre das Koalieren zwar kein Problem. Aber weder FDP noch FW geben zu erkennen, dass sie lieber mit der SPD als mit der CSU koalieren möchten. Die Sozialdemokraten ignorieren das konsequent. "Die können doch nicht so tun, als wäre nicht etwas Großes zu Ungunsten der CSU passiert", sagt Fraktionsvize Beyer.

Ähnlich argumentiert die Vize-Landeschefin Adelheid Rupp. "Ich glaube schon, dass wir FW und FDP zu einem Neuanfang in Bayern ermutigen können", sagt die Münchner Landtagsabgeordnete. Vor allem die CSU-affinen Liberalen müssten sich fragen, wo ihre Anliegen besser aufgehoben wären. "In deren Kernthemen Online-Durchsuchung, Bürgerrechte oder dem Nein zum neuen Versammlungsgesetz stimmen wir doch voll überein'', sagt Rupp. "Was wollen die da mit der CSU?"

Es ist eine merkwürdige Melange aus fast schon kindlicher Freude über den CSU-Absturz, einer diffusen Hoffnung auf eine SPD-geführte Vierer-Koalition und blanker Ratlosigkeit in eigener Sache, welche die Landes-SPD in der Wahlnacht umtreibt. Man stagniert, und die Schuld dafür sucht man auch in der eigenen Partei, allerdings außerhalb von München. Da war das monatelange Führungs-Hickhack in der Bundes-SPD und Ypsilantis Flirt mit denen, die Fraktionsvize Beyer als Gegner ausgemacht hat. "Beim Bemühen, unsere Stammwählerschaft zu mobilisieren, war die Linkspartei die größte Konkurrenz", sagt er.

© SZ vom 29.09.2008/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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