Landkreis Neuburg-Schrobenhausen:Aufwühlender Prozess

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Er hat mehrere Mädchen sexuell missbraucht: Und dass der 39-Jährige erneut rückfällig wird, schließen Gutachter nicht aus. Dennoch lehnte ein Richter die Sicherungsverwahrung nach der Haft ab.

Stefan Mayr

Er ist ein Wiederholungstäter. Er hat mehrere junge Mädchen sexuell missbraucht, unter anderem ein zweijähriges Kleinkind. Das Baby wurde damals lebensgefährlich verletzt. Der Mann saß schon zweimal für mehrere Jahre im Gefängnis. Er verweigert jegliche Therapie. Ein Gutachter attestiert eine mittlere bis höhere Wahrscheinlichkeit, dass er sich wieder an Mädchen vergreifen könnte. In seinem jüngsten Prozess zeigte er keinerlei Reue, sondern kündigte noch im Gerichtssaal Revision an.

Der Kinderschänder Stefan N. muss wegen sexuellen Missbrauchs für fünf Jahre ins Gefängnis - Sicherheitsverwahrung hat das Gericht jedoch nicht verhängt. (Foto: dpa)

Der Kinderschänder Stefan N. wurde am Dienstag vom Landgericht Ingolstadt wegen sexuellen Missbrauchs zu fünf Jahren Haft verurteilt. Nach seiner Entlassung stellt der 39-Jährige aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen wohl weiter eine Gefahr dar, dennoch hat das Gericht keine Sicherungsverwahrung verhängt - sehr zum Unverständnis vieler Prozessbeobachter und der Staatsanwaltschaft Ingolstadt.

Wir prüfen, ob wir Revision einlegen", sagt Oberstaatsanwalt Helmut Walter. Der Vorsitzende Richter Paul Weingartner betont, er habe so entscheiden müssen: "Die Hürden des Bundesverfassungsgerichts sind zu hoch." Um eine Sicherungsverwahrung zu rechtfertigen, müssen "schwere Taten" drohen, so der Richter. Der Angeklagte sei aber "kein Pädophiler, der fremde Kinder von der Straße zerrt und vergewaltigt." Vielmehr habe er sich "nur" an die Töchter seiner Lebensgefährtinnen herangemacht, und auch die Intensität der Taten bewegten sich "am unteren Rand". Es sei kein "schwerer sexueller Missbrauch" gewesen, der Täter habe seine Opfer zuletzt "nur" berührt und gestreichelt.

Einmal allerdings ging Stefan N. sehr wohl mit brutaler Gewalt vor: 1995 misshandelte er die zweijährige Tochter seiner Lebensgefährtin. Mit dem Griff eines Schraubenziehers brachte er dem Baby lebensgefährliche Verletzungen bei. Er wurde zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. 2007 vergriff er sich an den Töchtern seiner neuen Partnerin - und an zwei Nachbarsmädchen. Hierfür musste er drei Jahre ins Gefängnis.

Kurz vor seiner Entlassung kamen Taten aus dem Jahr 2003 ans Licht - die nun vor dem Landgericht Ingolstadt verhandelt wurden. Dabei bezeichnete die Staatsanwältin den Täter als "abgebrüht und gefühllos", er nütze "jede Gelegenheit für neue Straftaten", um "seinen sexuellen Neigungen nachzugehen". Die Anklagevertreterin fragte: "Wollen wir noch nachdulden, was bisher versäumt wurde?"

Richter Weingartner sagt hingegen: "Der Angeklagte wird immer nur im sozialen Umfeld tätig und hat zuletzt nie mehr Gewalt angewendet." Deshalb habe er die Sicherungsverwahrung ablehnen müssen. Er betont, dass der Täter nach Haftverbüßung bewacht werde. Und falls er wieder eine Freundin mit Töchtern finden sollte, werde das Jugendamt eingeschaltet.

© SZ vom 12.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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