Landarztmacher:Dr. Provinz

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Svenja Nitsche (links) darf unter Aufsicht von Landarzt Wolfgang Blank einen Patienten impfen. (Foto: Stephanie Probst)

Wolfgang Blank hat gemeinsam mit Kollegen die Landarztmacher ins Leben gerufen. Die Hausärzte wollen Vorbilder für Medizinstudenten sein und ihnen zeigen, wie viel Spaß der Beruf jenseits der Großstadt machen kann

Von Stephanie Probst, Schöfweg

Ein bisschen verzweifelt schaut die ältere Frau im lilafarbenen Pullover drein, als sie das Behandlungszimmer betritt. Sie hat Ohrenschmerzen, schon seit Wochen. Das Antibiotikum hat ihr nicht geholfen, deshalb sitzt sie zum dritten Mal innerhalb von sechs Wochen auf dem Behandlungsstuhl. Statt von ihrem Hausarzt Wolfgang Blank wird sie heute von zwei Studentinnen begrüßt - Pauline Weismann und Svenja Nitsche absolvieren gerade den "Exzellenten Winter" der Landarztmacher, ihre vierwöchige Famulatur, eine Art Praktikum im Medizinstudium.

Eine Famulatur beim Hausarzt ist im Medizinstudium vorgeschrieben, doch in den Bayerischen Wald treibt es nur wenige Studenten. Das wollte Wolfgang Blank, Hausarzt im Landkreis Regen, ändern. Er und drei weitere Kollegen riefen deswegen die Landarztmacher ins Leben. Das Ziel: mehr Medizinstudenten aufs Land locken. "Wir wollen das Bewusstsein für den Beruf des Landarztes schärfen", sagt Blank, "ich habe das Gefühl, dass die Studenten schon aufs Land wollen, aber sie haben kaum die Möglichkeit, uns zu erleben."

Auf den ersten Blick steht es im Moment gut um die hausärztliche Versorgung ländlicher Gebiete. Der Versorgungsatlas der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) bescheinigt sonst eher benachteiligten Gebieten wie dem Bayerischen Wald sogar einen hervorragenden Versorgungsgrad. Hierbei gilt die bundeseinheitliche Verhältniszahl: Wenn 1671 Einwohnern ein Hausarzt zur Verfügung steht, liegt der Versorgungsgrad bei 100 Prozent. Im Landkreis Regen liegt dieser sogar bei mehr als 150 Prozent, viele andere ländliche Landkreise sind ähnlich gut versorgt, nur wenige haben einen Mangel an Hausärzten. Das Hauptproblem: Das Durchschnittsalter der Hausärzte liegt in Bayern bei knapp 55 Jahren, im Bayerischen Wald zum Teil noch höher. "Es gibt zwar kein offizielles Ende einer Arzttätigkeit, aber ab 60 ist bei vielen Ärzten die Überlegung da, die Praxis abzugeben", sagt Birgit Grain von der KVB. Vor allem im ländlichen Raum werde es immer schwieriger, einen Nachfolger für die Praxis zu finden. "In manchen Fällen wird gar kein Nachfolger gefunden", sagt Grain.

Umso wichtiger seien Präventionsmaßnahmen wie die der Landarztmacher. Dafür verlieh die KVB dem Programm "Exzellent" der Landarztmacher 2014 sogar den Bayerischen Gesundheitspreis für besonderes Engagement. Für den 50-jährigen Blank steht aber nicht die Übergabe seiner Praxis im Vordergrund: "Ich möchte, dass die Studenten ein Bewusstsein für die Tätigkeit der Landärzte bekommen und später diese Option vielleicht in Betracht ziehen - egal ob im Bayerischen Wald oder in anderen ländlichen Gebieten." Mittlerweile nehmen elf Praxen an dem Projekt teil und beherbergen jeweils im Sommer und Winter elf Studenten für deren Famulatur. Impfen, Fäden ziehen, Voruntersuchungen machen - das gehört seit Ende Februar zu den Aufgaben der Teilnehmer des "Exzellenten Winters". Die Patienten geben vor den Untersuchungen ihre Einwilligung, dass gleich Studenten Hand an sie legen. Auch die von Ohrenschmerzen geplagte Patientin war damit einverstanden. "Die beiden müssen auch lernen", sagt sie und dreht Weismann das schmerzende Ohr zu, damit die 22-Jährige es mit dem Otoskop untersuchen kann. Kaum haben die beiden die Untersuchung abgeschlossen, stößt auch Wolfgang Blank dazu. Was ihr genau fehlt, werden die Studentinnen gleich erklären. "Alles richtig, fehlt irgendwas?", fragt Blank die Patientin nach den Ausführungen von Nitsche und Weismann. "Perfekt, nichts vergessen", sagt die Frau. Während Blank die Patientin selbst untersucht, schauen ihm die beiden Studentinnen über die Schulter. Auch die richtige Körperhaltung will gelernt sein. "Ihr müsst den Patienten offen gegenübertreten, also die Arme nicht verschränken", sagt Blank. Der Hausarzt sieht sich selbst aber nicht nur als Mentor: "Nicht nur die Studenten lernen hier, ich kann auch viel aus dem Projekt für mich mitnehmen." Die Studenten würden Dinge hinterfragen, die ihm die Möglichkeit geben, über seine eigene Arbeitsweise zu reflektieren und sich so auch selbst zu verbessern.

Die Vormittage verbringen die Studenten in den vier Wochen in den Praxen, die Nachmittage in Kursen. In der Gruppe lernen sie im Kreiskrankenhaus an Schweinefüßen Naht- und Injektionstechniken. Doch auch der Spaß soll nicht zu kurz kommen. Beim Langlaufen konnte sich die Gruppe kennenlernen, bald treffen die elf auf Schlittenhunde und sind zum Eisstockschießen eingeladen. "Die Herzlichkeit der Leute hat einen totalen Eindruck bei mir hinterlassen", sagt Weismann. Anfänglich sei zwar der niederbayerische Dialekt für die Rheinländerin etwas schwierig gewesen, aber das hat sich gelegt. "Die Ärzte nehmen sich Zeit und man wird von der Begeisterung für ihren Beruf regelrecht angesteckt", ergänzt Nitsche. Wolfgang Blank sieht darin eine der Hauptaufgaben des Programms: "Die Studierenden erleben engagierte Ärzte, die Spaß an ihrem Beruf haben - das schafft Vorbilder." Nitsche und Weismann hatten vor ihrem Praktikum im Bayerischen Wald wenig Interesse an der Hausarzttätigkeit. "Ich habe nie wirklich darüber nachgedacht, aber jetzt könnte ich mir das schon vorstellen", sagt Weismann.

© SZ vom 18.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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