KU Eichstätt:Zeitalter des Übergangs

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Wissenschaftler erforschen die lateinische Literatur der Spätantike

Von Hans Kratzer, Eichstätt

Beschäftigt sich ein Mitglied der Generation Facebook mit der Antike, so erfreut es sich in der Regel an den Abenteuern von Asterix und Obelix, jenen Comic-Helden aus einem gallischen Dorf, die mit Vorliebe die armen römischen Besatzer piesacken. Die Geschichten spielen zur Blütezeit des Römerreichs, 50 vor Christus, als der Weltenlauf noch vom großen Cäsar geregelt wurde. Die Antike hatte aber auch nach der Ära Cäsar noch manch ereignisreiche Epoche zu bieten. In einer hat sich zum Beispiel auf mysteriöse Weise der Stamm der Bayern gebildet. Im Grunde genommen wurde in der Spätantike das Fundament für das heutige Europa gesetzt. So breitete sich damals das Christentum aus, das römische Weltreich kollabierte, die Völker begannen zu wandern.

Lange Zeit wurde diese Umbruchszeit falsch interpretiert. Die Spätantike, so hieß es, sei von Dekadenz und vom Untergang des Römerreichs geprägt gewesen, es sei im Gegensatz zur klassischen Antike eine Epoche des Verfalls gewesen. Diese Bewertung wird mittlerweile von vielen Forschern abgelehnt. Gerade weil es ein Zeitalter des Übergangs war, befasst sich die Wissenschaft verstärkt mit diesem Zeitraum zwischen dem dritten und sechsten Jahrhundert nach Christus. Auch die Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) ist in diesen Prozess verwoben. Dort erforscht nämlich eine Gruppe von Wissenschaftlern die Literatur jener Zeit. Ihr Ziel lautet, eine "Bibliothek der lateinischen Literatur der Spätantike" herauszugeben.

Latein mag eine tote Sprache sein, als Lehr- und Forschungsobjekt ist dieses Phänomen sehr lebendig. Professor Bardo Maria Gauly, Inhaber des Eichstätter Lehrstuhls für Klassische Philologie und Leiter des ambitionierten Projekts, sagt: "Wir wollen die Vielfalt der kulturellen Veränderungen abbilden. In dieser Epoche begegneten sich antike Bildungstraditionen, neue philosophische Strömungen und christliches Denken." Mit anderen Worten: Damals wurden das heute so oft zitierte Abendland geistig vermessen. Die Edition wird sowohl die spätantiken Originaltexte enthalten als auch die deutschen Übersetzungen mitsamt textkritischen Anmerkungen und Einordnungen.

Bereits die ersten Bände, die im kommenden Jahr erscheinen werden, könnten die Spätantike in ein neues Licht rücken. Das Angebot an Texten aus dieser Ära ist deutlich vielfältiger als das aus der Antike. Da feiert zum Beispiel das Gedicht eines unbekannten Autoren die Macht der Göttin Venus und das erotische Frühlingserwachen der Natur, ein romanähnlicher Text lässt den Bischof Clemens von seiner Begegnung mit dem Apostel Petrus erzählen und ein Hofdichter preist die militärischen Erfolge des weströmischen Kaisers über einen maurischen Fürsten. Aber auch die Reiseberichte erlebten eine Blütezeit. Der Autor Rutilius Namatianus berichtet etwa in klangvollen Versen über eine Reise nach Gallien im fünften Jahrhundert. Die anarchische Asterix-Zeit war da aber längst vorüber. Die frechen Gallier waren endgültig brave Römer geworden.

© SZ vom 20.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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