Kratzers Wortschatz:Zehn Dekagramm Wurst für den Bundes-Pelzer

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Des Griechischen mächtig sein, kann helfen, wenn man in Bayern beim Metzger steht

Von Hans Kratzer

Dekagramm

Jener ältere Herr, der neulich in einer niederbayerischen Metzgerei Aufsehen erregte, machte rein äußerlich den Eindruck, als sei er den Wurstwaren grundsätzlich nicht abgeneigt. Als er an der Reihe war, bestellte er tatsächlich 25 Dekagramm Aufschnitt. Die im bairischen Idiom durchaus versierte Verkäuferin stutzte kurz, überlegte und fragte dann nach: "Wie viel soll's bitte sein?" "25 Dekagramm" wiederholte der Kunde, hatte dann aber ein Einsehen mit der armen Frau und präzisierte die Mengenangabe: "250 Gramm." Als ihn ein anderer Kunde deswegen ansprach, sagte der Mann, die hiesigen Verkäuferinnen seien jedes Mal irritiert, wenn er das Wort Dekagramm verwende. Allerdings ist diese Maßeinheit, die zehn Gramm benennt, vor allem in Österreich und in Ungarn gebräuchlich, und zwar beim Einkauf von Lebensmitteln und als Mengenangabe in Rezepten. Umgangssprachlich wird es zu Deka verkürzt. In Dekagramm stecken das griechische Wort deka (zehn) und das Gramm.

Bundes-Pelzer

Sepp Obermeier, langjähriger Vorsitzender des Bundes Bairische Sprache, schreibt in einem aktuellen Leserbrief von einer "Sternstunde", die er kürzlich während einer Diskussion von Jugendlichen erlebt habe. Es ging dabei um die Erfolge des deutschen Fußballtrainers Jürgen Klopp beim FC Liverpool. Ein 17-Jähriger brachte laut Obermeier den Leistungsvergleich des in der englischen Premier League unter Dauerstress stehenden Klopp und des zuletzt weitgehend unbeschäftigten DFB-Bundestrainers Joachim Löw prägnant auf den Punkt: "Gegen den Klopp ist der Löw nur der DFB-Auftragschiller!" Anders gesagt: Löw ist nach dieser Definition nichts anderes als ein Müßiggänger im Auftrag des Deutschen Fußballbundes. Ein Freund des 17-Jährigen lieferte dazu die bairische Übersetzung: "Also quasi da Bundes-Pelzer." Darin steckt das bairische Verb pelzen (sich auf den Pelz, auf die faule Haut legen). Bei der Wahl zum Jugendwort des Jahres sollten beide Wortschöpfungen unbedingt berücksichtigt werden, findet Sprachschützer Obermeier. Das Wort pelzen kommt auch im Obstbau vor. Obstzüchter pelzen nämlich Bäume, sie veredeln sie durch Aufpfropfen anderer Triebe.

© SZ vom 10.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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