Kratzers Wortschatz:Kartage voller Getöse und Geschrei

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Krawall in der Kirche? Kinder, rotschopfert oder nicht, würden sofort geschimpft werden. Dabei spielt der Lärm in der Karwoche eine entscheidende Rolle

Von Hans Kratzer

Trauermette

Die beim Passionskonzert in der Pfarr- und Klosterkirche Windberg (Kreis Straubing-Bogen) aufgeführten Leçons de ténèbres von Francois Couperin (1668-1733) sind auch sprachlich interessant. Das französische Wort ténèbres geht auf das lateinische tenebrae (eigentlich: Finsternis) zurück. Das ist wiederum die Bezeichnung für die Trauermette, die ursprünglich ein kirchliches Stundengebet an den Kartagen war. Im Bairischen ist vor allem die Christmette als Mettn bekannt (das e wird hell gesprochen, wie bei Schnee). Das Wort wurzelt im lateinischen hora matutina (der Morgen). Daraus wurde im Althochdeutschen mattina und im Mittelhochdeutschen mettine. Aber auch Kinder, die poltern, plärren und kreischen wie die Wilden, machen eine Mettn. "Der Begriff des Lärmens ist mit dem der Mettn so sehr verschwistert geblieben, dass dieses Wort in den meisten Fällen schlechthin statt Getöse, Gepolter, Geschrey gebraucht wird", schreibt der Sprachforscher Schmeller im 19. Jahrhundert. Aber selbst in der Bedeutung Lärm steckt in der Mettn ein christlicher Ritus, die bereits erwähnten horae matutinae. Das waren Frühgottesdienste in der Karwoche, bei denen die Kirchgänger mit Stöcken und Steinen gegen die Kirchenbänke schlugen, um den Verräter Judas zu erschrecken. Heutzutage lebt dieser Brauch in der knatternden Ratschn fort, die an den Kartagen die Glocken ersetzt.

rotschopfert

In einer Konzertkritik der Ebersberger SZ war ein herrliches Wort zu lesen: "Die rotschopferte Chiemgauer Band Kupferdache bespielt die Glonner Schrottgalerie mit Herzblutsound", titelte das Blatt. Jene Leser, die noch einen Funken Gespür für das Südhochdeutsche besitzen, überkam gewiss ein dankbares Lächeln für diese Hommage an das Adjektiv rotschopfert. Laut diesem Bericht trugen die Musikerinnen rote Haare in nuancierten Abstufungen, zwei von ihnen bevorzugten ein kräftiges Zinnoberrot, die anderen ein minder sattes Rot. Zwangsläufig fällt einem da der alte Spruch aus der Ära des Geschlechterkampfes ein: "Regen, Regen, Tropfen, Deandl muas ma schopfen!" (an den Haaren ziehen).

© SZ vom 26.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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