Kratzers Wortschatz:Höchste Zeit für einen Stiftlkopf

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Im Sommer lässt man sich am besten einen Stiftlkopf schneiden. Diese Frisur heißt so, weil die Haare wie Stiftl vom Kopf wegstehen. Der Vorteil: Man muss sich nicht mehr kämmen - und bei großer Hitze ist so eine luftige Frisur sowieso Goldes wert

Bluatshitzn

Temperaturen jenseits der 30 Grad waren zuletzt der Normalfall. Eine solche Hitze wird im Bairischen als Blutshitze (Bluatshitzn) bezeichnet. Das Wort Blut dient im Alltag gerne als verstärkendes Präfix, vor allem in Fällen, in denen man die eigene Machtlosigkeit wenigstens seelisch bewältigen will: Eine Gemeinheit wird zur Bluatssauerei und ein einschlägiger Fluch heißt Bluatssakra . Der Dialektforscher Ludwig Zehetner bezeichnet Blut als ein altes Tabuwort (Blut Christi). Insofern stehen, so sagt der Professor, emotionale Wendungen mit Blut und blutig solchen mit Scheiß- einerseits und Kreuz- andererseits nahe. Überhaupt ist das Wort Blut schon in den Anfängen der bairischen Sprache als "pluot" nachweisbar. In dem in der Bayerischen Staatsbibliothek verwahrten Endzeitgedicht Muspilli, entstanden um das Jahr 870, heißt es: "so daz Eliases pluot in erda kitriufit" (träufelt).

Stiftlkopf

Neulich wurde an dieser Stelle das altehrwürdige Wort Staffel erörtert, es ist ein Synonym für die Treppenstufe. Traditionell ausgedrückt, führen also auf den Turm einer alten Kirche Staffeln hinauf. Brigitte Bauer hat uns dazu eine nette Ergänzung zuteil werden lassen: "Von meinem Mann, gebürtig in einem kleinen Dorf in der Oberpfalz zwischen Cham und Waldmünchen, kenne ich den Ausdruck, wenn dem Friseur beim Schneiden Messer oder Schere ausgerutscht sind: Der hat dir aber eine saubere Staffel reingeschnitten." Hier werden Erinnerungen an alte Zeiten wach, als die Dorffriseure oft noch Freistilschnitte pflegten. Entweder setzten sie einem einen Topf aufs Haupt und scherten dann drum herum, oder sie murksten beim Scherenschnitt, bis die Frisur voller Staffeln war. Am besten ließ man sich einen Stiftlkopf schneiden, wie ihn die amerikanischen Soldaten trugen. Er hieß so, weil die Haare so kurz waren, dass sie wie Stiftl vom Kopf wegstanden. Dieser Schnitt hatte den Vorteil, dass man sich nicht mehr kämmen musste - und bei großer Hitze ist so eine luftige Frisur sowieso Goldes wert.

© SZ vom 14.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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