Kratzers Wortschatz:Gnackfettige mögen es behaglich

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Wenn man in sehr alten Zeitungen blättert, stößt man nicht selten auf herrlich schräge Wörter wie Gnackfettige. Es ist schwer zu verstehen, warum sie nicht mehr verwendet werden

Kolumne von Hans Kratzer

Gnackfettige

Leser Emil Steinbach hat in alten Ausgaben seines Heimatblatts, des Neumarkter Anzeigers, geblättert und dort ein sehr schönes Wort entdeckt. Aufgeschrieben hat es der damalige Lokalredakteur Hermann Döring, ein virtuoser Wortkünstler, der im Oktober 1920 über die ersten Fußballspiele des Neumarkter Turnvereins berichtete. Bei einem Freundschaftsspiel der Neumarkter konnte man schon den nahenden Schnee riechen. Döring beschrieb die Szenerie überaus bildhaft: "Obwohl der Wind grimmig kalt über das Spielfeld hinwegblies, sodass es sogar einigen Gnackfettigen zu bunt wurde, ging doch der Kampf vonstatten." Gnackfettige - auf so ein Wort muss man erst einmal kommen. Es trifft aber voll ins Schwarze, denn die Gnackfettigkeit galt ja gerade in Bayern lange Zeit als Sinnbild für materielles Wohlergehen und behagliche Ernährungsgewohnheiten. Man hat beim Lesen förmlich das Bild vor Augen, wie es den gwamperten Männern die Genickschwarten über die Krägen ihrer Wintermäntel hinausbaazt, wodurch das Drehen des Kopfes beim Meinungsaustausch auf dem Turnplatz stark gehemmt wurde. Das Gnack (Genick) hat in Bayern seit jeher kulturhistorische Bedeutung, was prototypisch beim Staatsmann Franz Josef Strauß zum Ausdruck kam, der vor lauter Gnack keinen Hals mehr hatte. Der Autor Josef Fendl beschrieb solche Männer einst sehr treffend: "Sie haben einen Kopf wie ein Prälat und allerweil noch zehn Pfund zuviel Schweinsbratn ums Gnack umi."

Hehnadapperl

In der Landshuter Zeitung war vor einigen Tagen die interessante Überschrift "Mit Hehnadapperln ans Ziel" zu lesen. Das Wort Hehnadapperl bereitet schon vom Klang her Freude. In dem Artikel ging es um Stefan Riedl vom Landesbund für Vogelschutz, der für sein ehrenamtliches Engagement geehrt wurde. Gute Lebensbedingungen für Vögel zu schaffen, ist eine mühsame Arbeit, und so hieß es im Bericht: "So treibt der Landesbund die Dinge voran, auch wenn die Schritte Hehnadapperln sind." Hehnadapperl sind kleine, kurze Schritte, wie sie die Hühner machen. Manche kennen noch das alte Kinderspiel "Kaiser, Kaiser, wie weit darf ich gehen?" Schlecht war dran, wer nur mit Hehnadapperl vorwärts kam, während ein anderer zwei große Hasenhupfa machen durfte. Wer als erster am Ziel war, hatte gewonnen. Manches siegreiche Mädchen durfte sich von beleidigten Buben anhören, sie sei eine bläde Hehna.

© SZ vom 26.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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