Kratzers Wortschatz:Die Stoderer und die Mähne der Jill Biden

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Die Beziehung zwischen Landbevölkerung und Stadtmenschen darf als schwierig bezeichnet werden. Doch sie kann sich zum Positiven wenden. So wie auch die Frisur der neuen First Lady, wenn der Januarwind sich gelegt haben wird

Glosse Von Hans Kratzer

Stoderer

Das Verhältnis von Landmensch und Stadtmensch ist wegen der ausufernden Mobilität komplizierter denn je. Es erinnert an die Koexistenz von Hund und Katz. Beim Stoderer, der zum Schimpfwort mutiert ist, handelt es sich um die mundartliche Form des Städters. Das weibliche Pendant lautet Stoderin, seit jeher schwingt bei diesen Begriffen etwas leicht Abfälliges mit. Beide Bevölkerungsgruppen sind voneinander abhängig, mag man auch gegeneinander sticheln. Schnell hat das Alpenvolk im 19. Jahrhundert gemerkt, dass es mit den Stoderern gutes Geld verdienen kann, wenn es ihnen eine mit reichlich Seppltum garnierte Landidylle vorgaukelt. Die Stoderer genossen dieses Schauspiel sehr, ihre Gastgeber hielten sie trotzdem gerne für einfältig. Und doch fand man meistens zueinander. Die Sängerin Tanja Raith von den Raith-Schwestern ist liiert mit dem Musiker Andi Blaimer. Als sie sich in ihrer ersten Band kennenlernten, waren sie sich noch nicht sympathisch. Tanja sagt, sie habe rotgesehen, wenn sich Blaimer dem Proberaum näherte. Tanja, das brave Deandl vom Land, und Blaimer, der eingebildete Stoderer. Doch letztlich wendete sich die Beziehung zwischen Landpomeranze und Stadtfrack, wie der Stoderer auch genannt wird, zum Positiven.

zrapft

Leserin K. hat uns geschrieben, sie sei einigermaßen entsetzt gewesen, als sie die Amtseinführung des US-Präsidenten Joe Biden verfolgte. Da war zum einen der stilbildend am Rande sitzende Politiker Bernie Sanders, der mit seinen riesigen Wollhandschuhen zum gefeierten Hit im Netz wurde. Seine kreuz und quer liegenden Resthaare wurden weniger beachtet, umso mehr aber die Frisur der Präsidentengattin Jill Biden, die nicht zuletzt vom Januarwind gestylt wurde. Wobei man anmerken muss, dass Frau Biden von Haus aus zur wilden Mähne neigt. Als sie diese Haare sah, schreibt Leserin K., sei ihr das Wörterl zrapft (zrafft, zerrauft) eingefallen. Ihre Großmutter hätte dazu gesagt: "Is des a Frisur oder a Wiedhaufa?"

© SZ vom 25.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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