Kratzers Wortschatz:Der Papst, das Kracherl und die Gruserl

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Kolumne von Hans Kratzer

Kracherl

Vor einigen Tagen hat der emeritierte Papst Benedikt XVI. in Regensburg seinen Bruder Georg Ratzinger besucht. Die Anreise aus Rom strengte den 93-Jährigen jedoch ziemlich an. Deutet man die Medienberichte richtig, dann hat sich der bayerische Papst zum einen sehr gefreut, seinen Bruder gesehen zu haben, zum anderen fand er auch Labung darin, endlich wieder bayerische Luft zu atmen, eine Breze zu essen und ein Kracherl zu trinken. Letzteres hatte er sich sehr gewünscht, wie Subregens Christoph Leuchtner vom Regensburger Priesterseminar bestätigte. Bei seinem Besuch im Priesterseminar im Jahr 2006 habe der Papst zwar alles bekommen, was sein Herz begehrt hatte - nur an ein Kracherl, eine gelbe Limonade, hatte damals niemand gedacht. Das Versäumnis hat sich bei seinem jetzigen Aufenthalt nicht wiederholt, ist doch das gelbe Kracherl das Lieblingsgetränk des Papstes. Das Wort Kracherl rührt von jenen Limonadeflaschen her, die einst mit gläsernen Kugeln verschlossen waren. Wurden sie geöffnet, erzeugte die austretende Kohlensäure ein krachendes Geräusch. Im Jahr 2012 reisten Trachtler, Gebirgsschützen und Musikanten aus Bayern nach Rom. Unter anderem sang dabei der Gstanzlsänger Walter Vasold für den Heiligen Vater ein Gsatzl, in dem er dessen Vorliebe fürs Kracherl aufs Korn nahm. Benedikt soll geschmunzelt haben, als er das hörte: "Sie essen mit Vorliebe gern Weißwurst und da foit ma grad ei, statt Bier trinken sie dazua a Kracherl, do wern ja d'Weißwürst beleidigt sei."

gruserlgelb

Die behördliche Initiative "Mundart Wertvoll" ist bestrebt, den Dialekt zu fördern und ihn auch Kindern nahezubringen. Auf der Internet-Plattform Instagram stellt die Initiative Dialektwörter vor, kürzlich etwa das Adjektiv gruserlblau. Dieser Vorschlag war freilich irritierend, denn eigentlich ist nur gruserlgelb bekannt, ein Wort, das ein intensives Gelb ausdrückt. Statt Sand hieß es früher Grus, sagt der Sprachforscher Alfred Bammesberger. Küken, die nur einen Flaum haben, nennt er Gruserl (Gelberl). Statt gruserlgelb sagt man zudem gackerlgelb. Auch andere Farben kennen solche Verstärkungen: pechschwarz, grasgrün, feuerrot. Statt gruserlblau sollte es wohl himmelblau heißen.

© SZ vom 26.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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