Kommunalwahl in München:Schulen am Limit

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Die Bildungspolitik ist eigentlich Sache des CSU-regierten Freistaats. Doch die rot-grün geführte Stadt ist für den baulichen Zustand der Schulen verantwortlich. Beides ist durchaus verbesserungswürdig, weshalb sich die politischen Gegner nun gegenseitig Versäumnisse vorwerfen.

Von Melanie Staudinger

Der Ton im Wahlkampf wird schärfer, wenn auch nur in schriftlicher Form. Dieter Reiter, OB-Kandidat der SPD, meckert in bezahlten Zeitungsanzeigen: "CSU: Lehrerstellen streichen - Wahlversprechen brechen." Wer nun aber meint, dass die Münchner CSU Lehrerposten an städtischen Schulen abbauen möchte, der irrt. Vielmehr ist der Spruch auf Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) gemünzt und den Streit um die Stellenstreichungen in ganz Bayern.

Josef Schmid, der für die CSU das Oberbürgermeisteramt in München erobern will, gibt sich nach außen gelassen. "Ich überzeuge eben so mit meinen Argumenten, dass man nur bei Themen angreifen will, die ich nicht zu verantworten habe", erklärt er. Dieser Disput zeigt: Es sind vor allem SPD und CSU, die sich bisher im Wahlkampf bildungspolitisch engagieren. Von den anderen Parteien und Gruppierungen hört man hingegen recht wenig, auch wenn sie sich in ihren Wahlprogrammen durchaus umfangreich mit Schulen beschäftigen.

Die Münchner Schullandschaft ist komplex organisiert. Von 344 öffentlichen Schulen gehören 224 dem Freistaat, unter anderem alle Grund- und Mittelschulen. Der Staat stellt Lehrer ein, bestimmt den Lehrplan und die Sprengel. Bei Realschulen und Gymnasien ist es anders: Von manchen ist der Staat der Träger, von einigen die Stadt. München beschäftigt eigene Lehrer, bekommt aber staatliche Zuschüsse dafür.

Die Dualität von Stadt und Staat bei der Trägerschaft hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt. Wenn es aber um den Bau und die Sanierung von Schulen geht, ist die Stadt alleine verantwortlich. Sie zahlt, egal, wer danach die Schule übernimmt. Mit Lehrerstellenkürzungen oder dem Probeabitur in Mathe hat die Stadt nichts zu tun.

Muss sie auch gar nicht. Ihre Aufgaben sind auch so gewaltig. Mehr als 13 000 Mitarbeiter zählt das Bildungsreferat, das neben Schulen auch für Kindertagesstätten und Sport zuständig ist. Damit ist sie eine der größten Behörden ihrer Art in Deutschland. Alleine für den Bereich der städtischen und staatlichen Schulen - dort bezahlt die Stadt Hausmeister und Sekretärinnen - machen die Personalkosten mehr als 290 Millionen Euro aus. Im Etat stehen in den kommenden Jahren 1,8 Milliarden für Schulbauten zur Verfügung. Ganz reibungslos verläuft die Arbeit nicht, weshalb CSU und Grüne in ihren Wahlprogrammen auch Veränderungen in der Behörde fordern. Grünen-Kandidatin Sabine Nallinger will zudem die Schulen besser in Entscheidungen einbinden.

Kritik an unhygienischen Toiletten

Eltern, Lehrer und Schüler sind eher unzufrieden mit den Schulgebäuden. Jugendliche kritisieren unhygienische Toiletten, unfreundliche Klassenzimmer und marode Tische. Grundschulrektoren monieren, dass ihnen Räume für Ganztagsangebote fehlen.

In weiterführenden Schulen haben manche Klassen keine eigenen Zimmer, sondern benutzen Fachlehrsäle, was wiederum in Physik, Chemie oder Biologie zu Engpässen führt. Erweiterung und Sanierung bestehender Schulen, die Errichtung neuer Einrichtungen und der Ausbau der Ganztagsbetreuung werden die großen Aufgaben auch des kommenden Oberbürgermeisters sein.

Nun ist es nicht so, dass die Stadtverantwortlichen die Not nicht erkannt hätten. Der Sanierungsaufwand sei sehr hoch, sagt eine Sprecherin des Bildungsreferats. Viele Einrichtungen seien nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die Siebzigerjahre hinein entstanden. Deren Lebensdauer laufe langsam ab, erklärt sie. Brandschutz und Technik entsprechen nicht mehr dem heutigen Stand, Dächer sind undicht, die Wände feucht. "Jetzt müssen wir auf einen Schlag einiges sanieren", sagt die Sprecherin. Die CSU mag an diese Theorie allerdings nicht so recht glauben. Die rot-grüne Rathausmehrheit habe zu lange an der Bildung gespart, sagt OB-Kandidat Schmid.

Dass es eigentlich zu wenig Platz für alle Schüler gibt, liegt aber auch daran, dass die Landeshauptstadt immer größer wird. Bis zum Jahr 2020 wächst München auf 1,58 Millionen Einwohner an - nicht bis 2030, wie früher prognostiziert. In den kommenden sechs Jahren sollen daher mindestens zehn neue Grundschulen für 4000 Kinder entstehen. Die Schülerzahl an Gymnasien soll bis 2030 um ein Fünftel steigen, das wäre ein Plus von knapp 7000 Schülern.

An Realschulen sollen immerhin 1800 Jugendliche hinzukommen. Fünf neue Realschulen und sieben Gymnasien sind angedacht. Seit gut einem Jahr fahndet eine rathausinterne Arbeitsgruppe nach geeigneten Standorten. Doch die Flächen in der Stadt werden knapp. Für ein sechszügiges Gymnasium etwa rechnet das Bildungsreferat mit einem Bedarf von drei Hektar. Innerstädtisch sind solche Areale kaum mehr zu bekommen.

Das Investitionsvolumen zeigt: An der Bildung spart München nicht. Die Stadt übernimmt sogar zusätzliche Aufgaben. So bekommen staatliche Grundschulen mit Ganztagsklassen einen Zuschuss für die Ferienbetreuung und die Zusammenarbeit mit Externen, die den Unterricht gestalten. Die Einrichtungen der Mittagsbetreuung erhalten 3,5 Millionen Euro jährlich. Staatliche Grundschulen können zudem mit städtischen Tagesheimen zusammenarbeiten. Deren Erzieher helfen im Ganztagsunterricht. Stadtschulrat Rainer Schweppe nennt das Modell "aktiv gestaltende Sachaufwandsträgerschaft".

Auch pädagogisch engagiert sich das Bildungsreferat. An den städtischen Realschulen und Gymnasien wird Schritt für Schritt das Lernhauskonzept etabliert. Ein Lernhaus ist eine kleine Einheit innerhalb der doch meist großen Schulen, zu der sich mehrere Klassen zusammengeschlossen haben. Diese Organisation soll die individuelle Förderung der Schüler mehr in den Mittelpunkt stellen - staatliche Schulen können es ebenfalls übernehmen. Und sie tun es auch, wie das Truderinger Gymnasium zeigt, das im September eröffnete.

Das kommunale Schulwesen ist durchaus eine Besonderheit in München. Wie es sich aber weiterentwickeln soll, dazu gibt es unterschiedliche Ansichten in den politischen Lagern. Die SPD will ein neues Modellschulprojekt beim Freistaat beantragen - eine Schule für alle. "Wir wollen Schule anders gestalten als der Freistaat", steht dazu im Wahlprogramm. Die Grünen fordern eine bessere Inklusion von Kindern mit Behinderung in den regulären Unterricht. Und die FDP plant, die Eigenverantwortung der Schulen zu stärken: Schulen sollen auf mehr Mitsprache bei der Lehrerauswahl hoffen dürfen - was den staatlichen Schulen zumeist verwehrt bleibt. Selbst die CSU setzt auf das kommunale Schulwesen. Zu weit vom bayerischen System will sie sich aber nicht entfernen. Da siegt dann doch die Parteiräson.

© SZ vom 08.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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