Rostrot sprudelte das Wasser aus der Leitung, als Martina Gebhardt vor einigen Wochen zum ersten Mal einen Wasserhahn in ihrem gerade erstandenen Anwesen aufdrehte. Ein Schreck für jeden Haus-Neubesitzer, doch Martina Gebhardt, grauer Pagenkopf, herzliches Lachen, nimmt es gelassen: "Die Wasserleitungen wurden eineinhalb Jahre lang nicht benutzt und man darf nicht vergessen: Es ist ein altes Haus", sagt sie.
Die 55 Jahre alte Naturkosmetik-Unternehmerin und Architektin aus Pessenhausen bei Rott hat Erfahrung mit alten Gemäuern, zuletzte baute sie ein 230 Jahre altes indianisches Lehmhaus in Taos in New Mexico zu einem Restaurant um. Vor vier Wochen hat sie nun wieder einen Vertrag unterschrieben: Sie kaufte das Kloster Wessobrunn in Oberbayern. Hier soll so bald wie möglich ihre Firma Martina Gebhardt Naturkosmetik mit Produktion, Vertrieb, Versand und Lager einziehen.
Herausforderung Hygiene
Eine Herausforderung. Denn auch wenn in Klöstern immer schon medizinisch gearbeitet wurde und Salbenherstellung dazugehörte, braucht Gebhardt hohe Hygienestandards für ihre Produktion. Und sie hat den Missions-Benediktinerinnen von Tutzing, von denen sie das Kloster kaufte, zugesichert, das Kulturdenkmal zu erhalten.
Kloster Wessobrunn wurde 753 einer Legende nach vom Agilolfinger-Herzog Tassilo III. gestiftet. Der U-förmige Klosterbau entstand von 1680 an. Hier entwickelte sich im 17. Jahrhundert das bedeutendste Stuckatorenzentrum des damaligen Europa. Behutsam will Gebhardt in den nächsten Jahren das Gebäude innen sanieren lassen, erzählt sie. Experten vom Landesamt für Denkmalpflege werden sie unterstützen, beispielsweise Bilder sanieren und Fenster reparieren.
Das Kloster Wessobrunn wurde der Legende nach 753 n.Chr. vom Agilolfinger-Herzog Tassilo III. gestiftet.
(Foto: Johannes Simon)"Beim Brandschutz muss man sicher um die Ecke denken, aber wir sind optimistisch", sagt der stellvertretende Generalkonservator Bernd Vollmar. In Keller und Erdgeschoss will Martina Gebhardt die teils verbauten Kreuzgewölbe freilegen und eine Schau-Manufaktur einrichten. Die Räume für die Salbenherstellung müssen nach der sogenannten Good Manufacturing Practice, einer Richtlinie für Kosmetikaherstellung, hergerichtet werden, die Wände müssen beispielsweise abwaschbar sein.
"Ich will das organisch angehen"
Was genau an welchen Ort kommt in der riesigen Anlage mit 10 000 Quadratmetern Nutzfläche und 48 000 Quadratmetern Grund, soll sich mit der Zeit entscheiden. "Ich will das organisch angehen", sagt Gebhardt. "Es gibt einen inneren Plan bei solchen alten Bauten und irgendwann ist es, als wenn das Gebäude anfinge zu sprechen." Auch den 850 Jahre alten Bauernhof in Rott, der als Firmensitz inzwischen zu klein ist für die 35 Mitarbeiter, sanierte Gebhardt einst selbst.