Kabinettsbildung in Bayern:Kettenkarussell der Macht

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Ministerpräsident unter Zeitdruck: Seehofer hat vier Probleme, die er bis Donnerstag zu lösen hat. Dann muss das Kabinett stehen.

K. Auer und K. Stroh

Der Reihe nach sind am Dienstag die CSU-Bezirkschefs in der Staatskanzlei angetreten. Nur ein Thema besprachen sie mit Horst Seehofer: Wer wird was im neuen Kabinett? Noch ist vieles offen, am Donnerstag muss der Regierungschef sein Puzzle fertig haben. Zu lösen hat er vier Probleme.

Ministerpräsident Horst Seehofer: Am Donnerstag wird sein Kabinett vereidigt. (Foto: Foto: dpa)

Das Herkunftsproblem:

Was die einen als größtes Unglück jeder Kabinettsbildung geißeln, war für die CSU bislang oberstes Ordnungsprinzip: der Regionalproporz. Auch Seehofer hat - zumal nach dem Parteitag, der die regionalen Verwerfungen in der CSU offengelegt hat - zu erkennen gegeben, dass er ihn nicht über Bord werfen wird. Allerdings hat sich die Arithmetik geändert, da die FDP drei Kabinettsposten bekommt.

Zudem schnürt Seehofer ein Gesamtpaket aus dem bayerischen Kabinett, den CSU-Posten im Bundeskabinett und dem Generalsekretär. Nicht-Berücksichtigungen in München können in Berlin ausgeglichen werden, das erweitert den Handlungsspielraum.

Das Altersproblem:

Vor zwei Jahren forderte Seehofer: Um die CSU zu verjüngen, müssten binnen fünf Jahren 50 Prozent der Führungspositionen an unter 50-Jährige vergeben sein. Nun sitzt Seehofer am Schalthebel und kann sein Diktum erfüllen. Weil die Verjüngung viel zu lange hinausgeschoben wurde, hat die CSU ein echtes Nachwuchsproblem. Das Ergebnis der Wahl, sagte Seehofer, "ist ein Signal, dass die Bevölkerung offensichtlich auch neue Gesichter und frische Kräfte erwartet".

Georg Fahrenschon, 40, bislang Finanzstaatssekretär, gehört zu diesen neuen Gesichtern. Er könnte das durch das Landesbank-Debakel schwer vorbelastete Finanzministerium übernehmen - die fachliche Kompetenz wird ihm in der CSU allgemein zugebilligt, die Kunst der Selbstdarstellung weniger.

Unter den zehn einflussreichen CSU-Bezirkschefs finden sich zudem Manfred Weber, 36, Markus Ferber, 43, und Karl-Theodor zu Guttenberg, 36.

Problem: Die ersten beiden sitzen im EU-Parlament, Guttenberg im Bundestag. Einen großen Austausch zwischen Brüssel, Berlin und München wird es wohl nicht geben. Aber für einen Kabinettsposten in Berlin sind Guttenberg und Ferber im Gespräch.

Ein Signal dürfte der erwartete Aufstieg von Markus Söder, 41, sein - wohin ist noch unklar. Das Umweltministerium wäre möglich, oder das Innenressort, wenn Innenminister Joachim Herrmann ein anderes Ressort bekommt, vielleicht aber auch Kultus. Aus der Reihe junger Talente im Bundestag wird wohl die Besetzung für das Amt des CSU-Generalsekretärs kommen.

Aus Altersgründen ausscheiden werden aus dem Kabinett wahrscheinlich Christa Stewens (Soziales), 63, Josef Miller (Agrar), 61, Eberhard Sinner (Staatskanzlei), 63, und wohl auch Thomas Goppel (Wissenschaft), 61.

Das Frauenproblem:

Das Kabinett weiblicher zu machen hat Seehofer angekündigt - auch weil sich, wie die Wahlforscher ermittelt haben, bei der Landtagswahl viele Frauen von der CSU abgewandt haben. Doch da sieht es noch viel düsterer aus als beim Nachwuchs. Gerade mal 19 Frauen zählt die CSU-Landtagsfraktion. Als jung genug oder sonst wie ministrabel gelten... tja, wer eigentlich? Justizministerin Beate Merk wird bleiben. Emilia Müllers Wirtschaftsministerium geht an die FDP. Müller verpasste den Einzug in den Landtag, kämpft aber offenbar mit aller Macht und drei Argumenten darum, im Kabinett zu bleiben: Sie ist weiblich, Chefin der Frauen-Union und Bezirksvorsitzende der Oberpfalz-CSU.

Jung und weiblich ist auch die bisherige CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer - von der aber hält Seehofer nichts. Wegen des Frauenmangels ist sogar im Gespräch, Ex-Kultusministerin Monika Hohlmeier zu reaktivieren. Ihr Problem: Auch sie hat die Wiederwahl verpasst - und die mit ihr heillos zerstrittene Münchner CSU legt sich schon vorsorglich quer.

Das Kompetenzproblem:

Seehofer will ein "Kompetenzkabinett" bilden. Dafür muss er vor allem den Regionalproporz überwinden. Fachlich unstrittig ist zum Beispiel der Tierarzt Marcel Huber (bisher Umweltstaatssekretär); er wird für das Agrarministerium gehandelt, zumal wenn Seehofer dem Haus die Zuständigkeit für das Veterinärwesen übertragen sollte.

Wichtig ist aber nicht nur, was ein Minister von der Sache versteht, sondern auch, ob er seinen Beamtenapparat in den Griff bekommt. Dem Volksschullehrer Siegfried Schneider zum Beispiel gelang das im Kultusministerium nicht. Viel spricht dafür, dass er dieses verlässt. Als Chef der Oberbayern-CSU ist er jedoch fürs Kabinett gesetzt, auch weil er vor und hinter den Kulissen massiv für Seehofers Machtübernahme gearbeitet hat. Er könnte die Leitung der Staatskanzlei übernehmen.

Dass ihm Goppel im Kultusministerium nachfolgt, wird zwar immer wieder spekuliert, ist jedoch unwahrscheinlich. Als vielseitig verwendbar gilt Otmar Bernhard - Münchens Vertreter im Kabinett. Der möchte zwar im Umweltministerium bleiben; sollte Seehofer dort aber ein neues Gesicht haben wollen, könnte er Europa- oder Finanzminister werden.

Wichtig ist aber auch, ob einer strategischen Weitblick besitzt. Die beiden größten Strategen in der Landtagsfraktion sind Söder und Alfred Sauter, mit denen sich Seehofer offenbar viel berät. Sogar ein Comeback des von Stoiber geschassten Justizministers Sauter ist nicht ausgeschlossen - als Fraktionschef beispielsweise. Das ist im Moment zwar Georg Schmid. Ihn aber könnte Seehofer ins Sozialministerium wegloben.

© SZ vom 29.10.2008/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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