Justiz:Zwei Oberbürgermeister, zwei Fälle von Korruption

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Zwei Oberbürgermeister verurteilt: Joachim Wolbergs, Regensburgs suspendierter OB (links) und Alfred Lehmann, der frühere OB in Ingolstadt. (Foto: Armin Weigel/dpa, Manfred Geiger/dpa)

Die Prozesse um Regensburgs OB Wolbergs und Ingolstadts Ex-OB Lehmann zeigen klare Parallelen. Und doch fielen die Urteile sehr unterschiedlich aus

Von Andreas Glas, Ingolstadt/Regensburg

Zwei Oberbürgermeister, zwei Korruptionsaffären, viele Parallelen. Aber zwei Urteile, die unterschiedlicher kaum sein könnten. In Regensburg ging im Juli der erste Korruptionsprozess gegen den suspendierten Oberbürgermeister Joachim Wolbergs zu Ende - ohne Strafe für den OB. In Ingolstadt dagegen schrammte Ex-OB Alfred Lehmann am Dienstag nur knapp am Gefängnis vorbei: zwei Jahre Haft auf Bewährung. Wie ist das alles zu erklären? Eine Analyse.

Das Schmiergeld

In Regensburg wie in Ingolstadt geht es um Schmiergeld aus der Baubranche. In beiden Städten ließen die Gerichte keinen Zweifel an der "kriminellen Energie", die im Spiel war. In Regensburg hält es Richterin Elke Escher für erwiesen, dass das Geld über ein geheimes Strohmannsystem an Politiker Wolbergs floss. Escher sprach ihn schuldig - weil er illegale Vorteile von rund 150 000 Euro aus dem Umfeld eines Bauträgers annahm. In Ingolstadt verurteilte Richter Jochen Bösl Ex-OB Lehmann dafür, dass er sich mit rund 383 000 Euro aus der Bauindustrie schmieren ließ.

Die Konsequenzen

Während Ingolstadts Ex-OB Lehmann wegen eines Falls der Bestechlichkeit und eines Falls der Vorteilsannahme fast ins Gefängnis und das Schmiergeld zurückzahlen muss, verzichtete die Regensburger Richterin auf eine Strafe für Wolbergs - trotz zweier Schuldsprüche wegen Vorteilsannahme. Escher fand, dass Wolbergs genug gestraft sei. Unter anderem durch die sechswöchige Untersuchungshaft, die "nicht verhältnismäßig" gewesen sei. Auch bei Lehmann, der nicht in U-Haft saß, sah das Gericht strafmildernde Gründe, darunter ein Teilgeständnis des Ingolstädter Ex-OB. Bei Wolbergs wiederum, der bis heute alle Vorwürfe bestreitet, war das Gericht der Meinung, dass sich der suspendierte OB seines illegalen Handelns nicht bewusst gewesen sei.

Eine Beurteilung, die unter Juristen ebenso umstritten ist, wie der Verzicht auf eine Strafe für Wolbergs. In Regensburg floss das meiste Geld in Form von Parteispenden auf ein Konto der SPD, der Wolbergs bis vor Kurzem angehörte. In Ingolstadt dagegen profitierte CSU-Politiker Lehmann davon, dass ihm Bauunternehmer vergünstigte Wohnungen verkauften oder bei Innenarbeiten einen viel zu billigen Preis machten. Ähnliche Vorwürfe gab es auch in der ersten Anklage gegen Wolbergs: Rabatte beim Kauf zweier Wohnungen, billiger Innenausbau. Doch anders als die Staatsanwaltschaft sah das Landgericht Regensburg kein Problem darin. Umstritten ist im Fall Regensburg auch dieser Punkt: Das Gericht bewertete nur jene Bauträger-Spenden als Schmiergeld, die in den Jahren 2015 und 2016 an Wolbergs flossen. In den vier Jahren zuvor seien die Spenden (mehr als 325 000 Euro) dagegen kein Fall von Korruption gewesen: Denn damals war Wolbergs nur Dritter Bürgermeister und nicht mit Bauangelegenheiten befasst. Das ist insofern problematisch, da Firmen nach dieser Logik völlig legal Bewerber auf öffentliche Ämter oder Behördenleiterstellen mit Zuwendungen "anfüttern" können, wie Korruptionsexperten sagen - in der Hoffnung auf spätere Gegenleistungen. Im Fall Ingolstadt spielt das keine Rolle, da Lehmann alle Vorteile annahm, als er bereits Rathauschef war.

Im Gegenzug soll er bei Bauprojekten zugunsten der Geldgeber getrickst haben. Solche Gegenleistungen sah das Gericht im Fall Wolbergs nicht.

Die Urteilsbegründung

Wie Elke Escher das Wolbergs-Urteil begründete, hat viele Prozessbeobachter irritiert. Das Schmiergeld, das Strohmannsystem, das alles sah die Regensburger Richterin als erwiesen an. Doch problematisch findet Escher den Regensburger Sumpf offenbar trotzdem nicht. Am Ende des Prozesses sagte sie: "Hier von einer Korruptionsaffäre zu sprechen, scheint zu hoch gegriffen." Dagegen war der Ingolstädter Richter sehr darum bemüht, das Problembewusstsein für Korruption zu schärfen und die Gefahren für die Demokratie zu betonen. Lehmann habe dem Oberbürgermeisteramt "schweren Schaden zugefügt", sagte Jochen Bösl. Und: Wer sich als direkt gewählter Politiker der Korruption schuldig mache, "wird in der Bevölkerung durchaus den Glauben an das Gute erschüttern". Von fehlendem Problembewusstsein für Korruption erzählt auch das Zitat von Papst Franziskus, das Bösl zu Beginn seiner Urteilsbegründung bemühte. Der Richter sagte: "Der Korrupte nimmt seine Korruption nicht wahr. Es ist ein wenig wie mit Mundgeruch. Wer ihn hat, der bemerkt ihn kaum."

© SZ vom 24.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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