Jugendherberge Berchtesgaden:Bett machen und staunen

Lesezeit: 2 min

Jugendherbergen sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Früher standen Stockbetten auf Linolfußboden. Heute sieht es aus wie im Hotel. Zumindest in der neuen Design-Jugendherberge Berchtesgaden.

Marlene Weiss

Wie so vieles sind auch Jugendherbergen nicht mehr das, was sie einmal waren. Früher standen da Stockbetten in Schlafsälen auf Linolfußboden, über allem hing ein schaler Geruch nach Fleischsoße und müffelnden Socken. Heute sieht es oft eher aus wie im Hotel. Berchtesgaden hat jetzt eine Design-Jugendherberge - und das ist nicht einmal Etikettenschwindel.

Der Flur im Haus Untersberg der Jugendherberge Berchtesgaden erstrahlt in eleganter Streifenoptik. Das Haus mit knapp 100 Betten ist das erste der Jugendherberge, das komplett neu durchdesignt wurde. (Foto: dpa)

Die Jugendherberge Berchtesgaden hat schon einiges mitgemacht. Unter den Nationalsozialisten hatte sie die zweifelhafte Ehre, den Namen "Adolf-Hitler-Jugendherberge" tragen zu dürfen. Zu Hitlers 46. Geburtstag am 20. April 1935 legte Reichsjugendführer Baldur von Schirach feierlich vor 2300 Hitlerjungen den Grundstein für die "Erziehungsstätte zum Nationalsozialismus" - das heutige Haus Untersberg. Wenige Jahre später wurde die Herberge erweitert, bis zu 1000 Gäste konnten damals untergebracht werden. Schirach wurde in den Nürnberger Prozessen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt; die Jugendherberge blieb bestehen.

Und jetzt also Design. Das Haus Untersberg wurde dafür entkernt und innen neu ausgebaut. "Visionär" sei das Konzept, "eine Neuinterpretation alpiner Architektur", jubelt der Landesverband Bayern im Deutschen Jugendherbergswerk, der den 2,5 Millionen Euro teuren Umbau geplant und finanziert hat. Tatsächlich müsste sich die Jugendherberge auch in einer Architekturzeitschrift nicht verstecken: Die Zimmer sind bunt und hell geworden, das Foyer gestreift, viel Holz wurde verwendet, und energieeffizient soll das ganze auch noch sein.

Vor allem ging es aber um eine Neuinterpretation der Jugendherberge: Der alte Massenschlafsaal ist nicht mehr zeitgemäß. Auch in Lenggries und Nürnberg werden derzeit Jugendherbergen generalüberholt. "Seit Jahren werden Jugendherbergen sukzessive modernisiert", sagt Annika Klauer vom Landesverband. "Eine Dusche im Zimmer ist heute nun einmal gewünscht."

Die gibt es jetzt in der Berchtesgadener Jugendherberge. Aber auch sonst wollte man sich auf die Wünsche der Gäste einstellen. Das Design-haus ist vor allem für Familien gedacht. Unter dem Giebel wurden aus dem alten Schlafsaal Galerie-Zimmer eingerichtet, mit einem Doppelbett unten und einer zweiten Schlafebene.

In anderen Zimmern stehen zwar Jugendherbergs-Doppelstockbetten, aber als Kojen in grünen Nischen. Einige Zimmer haben Zugang zum Balkon, andere einen Erker. Das Konzept stammt vom Stuttgarter Architekturbüro Lava; die Architekten haben schon am Stuttgarter Mercedes-Benz-Museum und an der Olympia-Schwimmhalle in Peking mitgearbeitet. In den kommenden Jahren soll das Zentralgebäude der Jugendherberge abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden - schließlich versteht man sich auch als Seminar- und Tagungsort, da kann es nicht bei der "Snow-Lounge" im Erdgeschoss bleiben.

Ab Mitte September kamen die ersten Testgäste, am 8. Oktober war Einweihung. Alle seien sehr zufrieden, heißt es in der Jugendherberge; für die kommenden Monate sei man schon gut gebucht. Der ganze Schick hat indes seinen Preis: Im Haus Untersberg kostet die Übernachtung je nach Zimmer mindestens 23 Euro, während man im Design-freien Haus Jenner schon ab 17 Euro unterkommt.

© SZ vom 15.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: