Jahresstatistik:Wenn Ärzte schlecht arbeiten

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MDK weist bei gut 2830 Gutachten ein Viertel Fehlbehandlungen aus

Von Dietrich Mittler, München

Karl-Heinz Schlee weiß aus eigener Erfahrung, wie verzweifelt Menschen dagegen ankämpfen, dass bei ihnen oder ihren Liebsten medizinische Behandlungsfehler nicht anerkannt werden. Der 75-jährige Nürnberger hat den Kampf nicht aufgegeben. "Ich will Gerechtigkeit, ich will Ordnung", sagt er. Die Gerechtigkeit, um die es hierbei geht, fordert er für seine Frau Brigitte ein. Sie ist im vergangenen Jahr gestorben, aber für Schlee geht der Kampf nun in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Nürnberg weiter. Einem kleinen Krankenhaus wirft er vor, die eigentliche Erkrankung seiner Frau nicht erkannt und stattdessen eine Schlaganfall-Untersuchung eingeleitet zu haben - ohne dazu wirklich in der Lage zu sein. In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen. Schlee ist aber nicht nur Betroffener, er ist auch der Vorsitzende der Selbsthilfegemeinschaft Medizingeschädigter. "Wir werden überrannt von Hilfesuchenden", sagt er.

Einige dieser Fälle hat die Selbsthilfegemeinschaft auf ihrer Homepage unter www.sgmev.de ins Internet gestellt - so auch jenen Fall aus Niederbayern, in dem sich vor Gericht herausstellte, dass die Originalkrankenakte des betroffenen Patienten verschwunden war und dass die Unterlagen, die an die Sachverständigen gelangten, "nicht oder nur teilweise dem Kläger zugeordnet werden konnten". Nach dreijähriger Prozessdauer wurde die Klage des Patienten abgewiesen.

Was Schlee aus Briefen und Gesprächen oft an persönlichen Schicksalen erfährt, spiegelt sich auch in der nun vorliegenden Statistik des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) zum Jahr 2019 wider. "Allein in Bayern wurde bei knapp einem Viertel der 2831 erstellten Gutachten ein Behandlungsfehler bestätigt", teilt der MDK Bayern mit. Ein Behandlungsfehler liege immer dann vor, "wenn eine Ärztin oder ein Arzt die Behandlung nicht angemessen, sorgfältig, richtig oder zeitgerecht" durchführe. Die Krankenkassen seien da oftmals der "erste Ansprechpartner bei der Verfolgung von Schadenersatzansprüchen". Astrid Zobel, die Leitende Ärztin des MDK Bayern, betont, dass die Zahlen mit den Werten des Vorjahres im Prinzip übereinstimmten. In allen Zweifelsfällen aber sei es richtig, sich Hilfe zu holen. "Wer Behandlungsfehler vermutet, sollte handeln. Der MDK hilft", sagt sie.

Eine weitere Anlaufstelle beim Verdacht auf Behandlungsfehler ist die Bayerische Landesärztekammer mit ihrer Gutachterstelle für Arzthaftungsfragen. Im Berichtszeitraum 1. Juni 2019 bis 31. Mai 2020 wurden dort 1308 Anträge auf Überprüfung der ärztlichen Behandlung gestellt, acht Anträge weniger als im vorangegangenen Berichtszeitraum. "Insgesamt wurden 138 Behandlungsfehler festgestellt", sagte ein Sprecher der Landesärztekammer am Freitag. Für Wolfgang Rechl, einer der beiden Vizepräsidenten der Landesärztekammer, ist das keine Überraschung. Seit Jahren würden sich die Zahlen auf einem gleichbleibenden Niveau bewegen, sagt er. Karl-Heinz Schlee indes hat weniger diese nüchternen Zahlen als die persönlichen Schicksale im Blick. Auch aus eigener Erfahrung sagt er zur Durchsetzung der Rechte von Medizingeschädigten: "Man kann den Eindruck bekommen, dass es System hat, unsere Klagen über Jahre hinweg zu verschleppen."

© SZ vom 27.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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