Im Porträt: Sepp Daxenberger:Der Wilderer im konservativen Milieu

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Er ist katholisch, Landwirt und Mitglied bei den Goaßlschnalzern: Für den Grünen-Spitzenkandidaten Sepp Daxenberger ist der Wahlkampf auch ein Stück Therapie.

H. Effern

Der Held ballt kurz die Faust, hebt ab und schießt zu Volksmusikklängen durch den weiß-blauen Himmel. Supersepp mit dem wehenden grünen Mäntelchen hat eine Mission: Bayern von der Atomkraft und allen Fürsprechern zu befreien. Vor der Kulisse des Meilers Isar 1 darf CSU-Chef Erwin Huber ein letztes Mal längere Laufzeiten für Kernkraftwerke fordern, ehe Supersepp im Sturzflug Schwung holt, um Huber per Hüftschwung von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Dann schnippt der grüne Held mit den Fingern und beendet den Animationsfilm mit seiner Vision: ein blühendes Bayern mit Windrädern und Sonnenkollektoren.

Sepp Daxenberger, Spitzenkandidat der bayerischen Grünen. (Foto: Foto: Getty Images)

Ganz so ambitionierte Ziele wie in der Persiflage auf Superman hat sich Sepp Daxenberger, 46, Spitzenkandidat der bayerischen Grünen, für die Landtagswahl nicht gesetzt. Doch steht er nicht nur im Wahlkampfclip auf seiner Homepage für die Hoffnung auf eine Zeitenwende: Die Grünen wollen mit ihm die absolute Mehrheit der CSU brechen und gleichzeitig ihr Ergebnis von 7,7 Prozent aus dem Jahr 2003 um mindestens drei Punkte steigern.

Dafür brach die einst so streitlustige Partei mit selten gekannter Einmütigkeit ein Tabu: Mit 93,1 Prozent der Stimmen entschieden sich die Delegierten auf dem Landesparteitag in Augsburg erstmals in Bayern für einen männlichen Spitzenkandidaten. Noch dazu einen, der von sich trotz der Abneigung, die seine Partei gegen jeglichen Personenkult hegt, sagt: "Ich kann der Partei als Person helfen."

Zeit für die Menschen

An einem Dienstagabend im September zeigt er zusammen mit Fritz Kuhn im Goldenen Bären am Weihnachtsschützenplatz in Berchtesgaden, wie er sich das vorstellt. Im Nebenzimmer hat der Ortsverein ein paar Plakate an die Wände gehängt, etwa 50 Anhänger sind gekommen.

Daxenberger spricht sich für sanften Tourismus aus, schießt gegen die politische Konkurrenz, aber vor allem nimmt er sich Zeit für die Menschen und hört ihnen zu. Die Tiraden über die Besetzung der örtlichen Sparkassen-Gremien scheinen ihn genauso zu interessieren wie die persönlichen Sorgen des Bauernehepaars aus dem Nachbarort Schönau, die Ärger mit dem Abwasser der Nachbarn haben.

"Der ist einmalig, der hätte schon länger hergehört. Der setzt sich für die Bauern ein", sagt Maria Hillebrand später. Um dann noch Richtung CSU nachzulegen. "Die Leute lassen sich nicht länger anlügen. Der Sepp ist keiner, der nur verspricht und verspricht, der tut was."

Dass er als Grüner erfolgreich Verantwortung übernehmen kann, das hat Daxenberger in seinen zwölf Jahren als hauptamtlicher Bürgermeister in Waging am See bewiesen. Schon seit 2002 mischt er als Landesvorsitzender wieder überregional politisch mit. Im Herbst letzten Jahres entschied er sich, als Bürgermeister nicht mehr anzutreten, auch weil er sich aus gesundheitlichen Gründen zwischen Kommunal- und Landespolitik entscheiden musste.

Im Jahr 2003 stellten die Ärzte bei ihm eine bösartige Form von Knochenkrebs fest. 2004 und 2006 musste er sich jeweils einer harten Therapie unterziehen. Zusätzlich zerstörte ein Virus Nerven in seinem Körper, sodass er zum Beispiel ein Podium nur erklimmen kann, wenn er sich festhält. Der Parteispitze der bayerischen Grünen war bewusst, dass sie mit einem gesundheitlich angeschlagenen Spitzenkandidaten ein Risiko im zermürbenden Wahlkampf eingeht.

Doch für Daxenberger sind die weit mehr als 100 Auftritte in ganz Bayern mehr eine lebenswichtige Therapie gegen den Krebs als eine Belastung. "Ich zeige meinem Körper, dass ich keine Zeit habe für sowas." Politik sei für ihn positiver Stress. "Wenn ich daheim sitzen würde, ginge es mir auch nicht besser." Wahrscheinlich eher schlechter, sagen Menschen aus seinem Umfeld. Sorge, dass die Krankheit nach dem Wahlkampf bei weichender Anspannung wieder Gewalt über ihn gewinnen könnte, hat er nicht. Weil er ohne die Anspannung der Politik gar nicht sein will. "Mir macht das Spaß."

Auch oder gerade weil Daxenberger genau weiß, dass die Grünen von ihm einen Spagat erwarten, den außer ihm kaum einer meistern könnte. Er muss die Stammwähler mobilisieren, die durch die Friedensbewegung und den Umweltschutz sozialisiert wurden. Da mit diesen Stimmen aber in Bayern der Sprung über die zehn Prozent nur schwerlich zu schaffen ist, soll der Biobauer aus Waging eine neue Wählerschicht erschließen: konservative Menschen auf dem Land, die bisher aus Ermangelung an Alternativen die CSU wählten oder aber von Beckstein und Huber so frustriert sind, dass sie aus dem gewohnten Muster ausbrechen wollen.

"Ein Scheißbeschluss"

Bei den Bauern, einer klassischen Klientel der CSU, punktet er längst mit seinem Einsatz für höhere Milchpreise und seinem Kampf gegen die Gentechnik. Im bürgerlichen Milieu präsentiert er sich als Supersepp: erfolgreich als erster hauptamtlicher Bürgermeister der Grünen in Bayern, tief verwurzelt in der Gesellschaft als Mitglied bei den Goaßlschnalzern, dem Sportverein oder der Feuerwehr seiner Heimatgemeinde Waging am See. Sein Credo: Die Gleichung "Bayern ist gleich CSU" geht nicht auf.

Auch bei seinem Hoffest in Ninharting, einem kleinen Weiler in der Gemeinde Waging am See, nimmt er die Arroganz der CSU auf die Schippe, die von sich behaupte, die Voralpenseen geschaffen zu haben und mit dem Aushub gleich auch noch die Alpen dazu. Um das Gegenteil zu beweisen, hat er alle Wähler der Region auf seinen Bauernhof eingeladen. "Näher am Menschen" heißt ein Slogan der CSU für diese Landtagswahl.

Daxenbergers Einladung folgen etwa 1000 Menschen. Sie bekommen keine großen Reden vorgesetzt, dafür Ochsengulasch, Biobier und bayerische Musik. Reden mit Daxenberger kann hier ohnehin jeder, der will. Auch Cem Özdemir, angehender Vorsitzender der Bundesgrünen, ist nach Ninharting gekommen und sagt: "Solche wie den Sepp brauchen wir."

Doch ganz so einfach macht es Daxenberger seiner eigenen Partei nicht, denn beinahe bei jedem Termin auf dem Land wird der "Sepp", wie sie ihn hier nennen, auf die Sache mit dem Kreuz angesprochen. Der sogenannte Kruzifix-Beschluss auf dem Parteitag, nach dem alle religiösen Symbole in Schulen, also auch das Kreuz in Klassenzimmern, verboten werden sollen, warf die Grünen in den Augen vieler Konservativer wieder auf die Revoluzzer-Ebene zurück. Keinen ärgert dieser taktische Patzer mehr als den bekennenden Katholiken Daxenberger. "Einen Scheißbeschluss" nennt er die Entscheidung seiner Partei.

In der kommenden Legislaturperiode will er solche Kritik wieder in Richtung CSU loswerden. Sehr wahrscheinlich, dass die Grünen dafür ein paar Ämter neu aufteilen müssen. Denn der Fraktions- und der Landesvorsitz müssen laut ihrer Satzung getrennt werden. Supersepp wird wohl als Chef der Fraktion im Landtag seine Mission antreten wollen.

© SZ vom 17.09.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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