Herrmann-Prozess:Verpatzte Ermittlungen

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Im Prozess um den Tod von Ursula Herrmann erhebt ein früherer Polizist schwere Vorwürfe gegen das LKA.

Hans Holzhaider

Der ehemalige Kriminalhauptkommissar Joachim Solon kann noch heute seine Erregung kaum zügeln, wenn er auf den Fall Ursula Herrmann zu sprechen kommt. Solon war der erste Leiter der Sonderkommission bei der Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck, nachdem am 15. September 1981 die zehnjährige Ursula Herrmann auf dem Heimweg von einer Turnstunde verschwunden war. Im November 1982 wurde er abgelöst, weil es zwischen ihm und den vom Landeskriminalamt entsandten Beamten zu unüberwindlichen Meinungsverschiedenheiten kam.

Ursula Herrmann (Foto: Foto: dpa)

Diese betrafen in erster Linie die Ermittlungen gegen Werner M. - eben den Mann, der jetzt vor dem Landgericht Augsburg unter der Anklage steht, Ursula Herrmann entführt und sie in eine im Wald vergrabene Kiste gesperrt zu haben, wo das Mädchen knapp drei Wochen später tot aufgefunden wurde.

"Ich wollte, dass diese Spur ordnungsgemäß nach kriminalistischen Gesichtspunkten bearbeitet wird", sagte Solon als Zeuge vor dem Landgericht. Mit dieser Forderung aber habe er sich nicht durchgesetzt. Die Kollegen vom LKA hätten die Spur "völlig versaut".

Noch heute ist Joachim Solon davon überzeugt, dass Werner M. schon 1983 als Täter überführt und verurteilt hätte werden können, wann man die Ermittlungen gegen ihn konsequent zu Ende geführt hätte. "Es hat mich sehr geärgert, dass eine so lupenreine Geschichte nicht aufgeklärt werden konnte", sagte er.

Nicht nur kriminalistisch, auch technisch lief bei den Ermittlungen im Fall Ursula Herrmann nach Solons Aussagen einiges schief. So habe man am Telefonanschluss der Familie Herrmann eine Fangschaltung eingerichtet. Das geschah aber erst, als die Mehrzahl der Erpresseranrufe schon eingegangen war.

Es habe in Eching nur eine einzige Fangschaltungsvorrichtung gegeben, die aber sei noch anderweitig gebraucht worden, berichtete Solon. Als sie dann endlich bei den Herrmanns installiert war, war sie nur von begrenztem Nutzen. Sie war nämlich so konstruiert, dass sie nur Ortsgespräche zurückverfolgen konnte. Bei Gesprächen aus anderen Ortsnetzen schaltete sie sich gar nicht erst ein.

Als zweiter Zeuge wurde der pensionierte Polizeibeamte Helmut Ehling gehört, ebenjener, von dem dessen Kollege Solon gerade behauptet hatte, er habe die "Spur M." versaut. Ehling bestätigte, er habe die Ermittlungen gegen M. "aktenmäßig" überprüft und keinen Ansatz für eine Anklageerhebung gefunden. Dagegen sei er bei seinen eigenen Ermittlungen auf den ehemaligen Polizisten Harald W. gestoßen, der als Jagdgehilfe in dem Waldgebiet, in dem Ursula Herrmann gefunden wurde, tätig war.

Ehling listete eine lange Reihe von Indizien auf, die auf W. als Ursula Herrmanns Entführer hinwiesen: Sein Auto wurde am Tatabend in der Nähe des Tatorts beobachtet; bei einer Begehung habe W., als man sich dem Vergrabungsort der Kiste näherte, Schweißausbrüche bekommen und sich entfernt; in der Kiste wurde das Haar eines Hundes von der Rasse gefunden, wie W. einen abrichtete, und das Haar eines Schafes, das zu einem Pelz in W.s Auto passte. W. konnte eine Werkstatt nutzen, in der sich Kunststoffrohre der gleichen Art befanden, wie sie beim Bau der Kiste verwendet wurden, und in einem abgehörten Telefongespräch hatte W. einen Bekannten als den "Kistenbauer" bezeichnet. Unklar blieb, warum nie Anklage gegen den mittlerweile gestorbenen W. erhoben wurde.

Der Gerichtsmediziner Wolfgang Eisenmenger erläuterte dem Gericht, dass Ursula Herrmanns Tod, bei aller Angst, die das Mädchen ausgestanden haben muss, wenigstens nicht körperlich qualvoll war. Beim Ersticken durch Sauerstoffmangel, sagte Eisenmenger, spüre der Mensch keine quälende Luftnot, sondern werde einfach ohnmächtig.

© SZ vom 27.03.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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:Mordfall Ursula Herrmann

1981 wurde die zehnjährige Ursula Herrmann auf dem Heimweg vom Turnunterricht in Eching am Ammersee entführt. 19 Tage später fand die Polizei ihre Leiche in einer im Waldboden eingelassenen Holzkiste.

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