Keferloher Montag:"Viel Schaum, wenig Bier - und keiner merkt's"

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Von Sarrazin über Karstadt bis zur Bundeswehr: Im Bierzelt von Gut Keferloh gelingt es Verteidigungsminister Guttenberg, die Gegner auf seine Seite zu ziehen. Auch dank eines Strohhutes.

Tobias Dorfer

Als die Hauptperson des Tages schon von Fotografen umringt wird, Hände schüttelt und freundlich lächelt, da springen ganz vorne am Bühnenrand hektisch drei Lederhosenträger zusammen. Sie schütten aus mehreren Maßkrügen schnell etwas Bier in den traditionellen Steinkrug von Keferloh und reichen zwei Exemplare des Trinkgefäßes in die Menge hinein.

Landwirtschaftliche Idylle weit weg vom schnelllebigen Berlin, wo Guttenberg sonst wirkt: Doch die Bierzeltbesucher arrangieren sich trotzdem mit dem Verteidigungsminister. (Foto: Claus Schunk)

Nur wenige Minuten später nimmt Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) den ersten Schluck. Der Bundesverteidigungsminister ist als Festredner der Stargast im Zelt des traditionsreichen Keferloher Montags in der oberbayerischen Gemeinde Grasbrunn. Es ist kein einfacher Auftritt für Guttenberg, der sich nach seinem Vorschlag, die Bundeswehr radikal zu verkleinern und zu einer Freiwilligenarmee umzubauen, heftigen Angriffen - auch aus der eigenen Partei - ausgesetzt sieht. Die Frage ist: Wird der Klartext-Minister die Zweifler im Bierzelt auf seine Seite ziehen?

Sie empfangen ihn herzlich im Gut Keferloh. Wie immer erscheint Guttenberg wie aus dem Ei gepellt. Rosa Krawatte, die Frisur sitzt - und es sieht ein wenig so aus, als hätte er zwischen Dienstwagen und Festzelt gerade noch das maßgeschneiderte Sakko aus- und die Trachtenjacke angezogen.

Oben auf der Bühne schmeichelt der Verteidigungsminister der sechsjährigen Katharina, die kurz zuvor den Zuchtbullen William ziemlich auf genau 1181 Kilogramm geschätzt hatte, und umgarnt die Milchbauern, was natürlich gut ankommt in Gut Keferloh. Doch dann fährt der Minister die Abteilung Attacke.

Zum Aufwärmen verpasst er dem Wirtschaftsminister Martin Zeil von der FDP, der zuvor ein kurzes Grußwort gehalten hatte, einen verbalen Schlag. Das nächste Mal würde Zeil vielleicht mehr Applaus bekommen, wenn er auch den Keferloher Hut tragen würde, stichelt der Verteidigungsminister, der den Strohhut selbst natürlich trägt.

Dann erinnert Guttenberg, der sich aus unerklärlichen Gründen nicht als "fleischgewordene wirtschaftspolitische Altlast" sehen möchte, noch einmal an seine Standhaftigkeit als Wirtschaftsminister, der sich seinerzeit gegen Staatshilfen für den taumelnden Karstadt-Mutterkonzern Arcandor ausgesprochen hatte. Wenn man nun sehen würde, dass Karstadt auch ohne einen Milliardenkredit gerettet wurde, "dann habe ich das Gefühl, damals nicht unrecht gehabt zu haben". Gar nicht zu reden von einem gewissen Autokonzern mit vier Buchstaben, fügt er hinzu. "Opel", raunen die Besserwisser im Publikum.

Schließlich streift der Verteidigungsminister noch kurz die Causa Thilo Sarrazin ("Ich glaube nicht, dass ich Herrn Sarrazin besonders mag, aber ich glaube, dass er eine richtige Debatte angestoßen hat."), bevor es dann um sein aktuelles Betätigungsfeld geht.

Von der Bundeswehr zeichnet Karl-Theodor zu Guttenberg ein desatröses Bild. Stichworte wie "dramatisch unterfinanziert" machen die Runde, ebenso wie die "schlechte Infrastruktur" oder die "große Unzufriedenheit" in der Truppe. Vom sechsmonatigen Zivildienst gar nicht erst zu sprechen. Diese Vokabeln bilden seit Wochen die Basis für die Guttenberg'sche Argumentationsschiene.

Dabei hätte die Bundeswehr nach wie vor wichtige Aufgaben, etwa bei der Bekämpfung des Terrorismus. In Afghanistan etwa. "Denn wenn Afghanistan implodiert, dann implodiert Pakistan gleich mit", ruft Guttenberg. Und wer glaube, das könnte Deutschland egal sein, der irre sich. "Es kann nicht unser Interesse sein, dass islamistische Idioten Atomwaffen in den Händen halten."

Mehr als 2000 Menschen haben sich auf den Bänken versammelt, das Festzelt von Gut Keferloh platzt aus allen Nähten. Die Gamsbarthut- und Lederhosenquote dürfte bei den Männern um die 90 Prozent liegen, ebenso bei den Frauen die Dirndl-Quote. Keferloh ist Tradtion und Brauchtum und in seiner landwirtschaftlichen Idylle weit weg vom schnelllebigen Berlin, wo Guttenberg sonst wirkt.

Und doch bejubeln sie ihn. Stehen auf. Klatschen frenetisch. Mehr als anderthalb Minuten. Trotz der unbequemen Wahrheiten.

Seine Vorredner haben die Latte auch nicht allzu hoch gelegt. Die Worte der Landrätin sind im Bierkruggeklapper weitgehend untergegangen und auch Wirtschaftsminister Martin Zeil hatte sich in Floskeln verheddert, wie: "Der Freistaat Bayern ist ein wunderbares Land mit wunderbaren Menschen." Oder: "Mit Technologien und Fortschritt können wir die Zukunft bewältigen." Da half es auch nicht, dass der stellvertretende Ministerpräsident ganz tief in der Populismuskiste kramte, auf das Urteil im Brunner-Prozess verwies und den Zuhörern entgegenrief, es sei gut, dass ein so hartes Urteil gesprochen wurde.

Guttenberg hingegen gibt den Weltbürger aus Berlin, der seinen Ausflug an die Basis sichtlich genießt. Sarrazin, Karstadt, Opel, Afghanistan, Wehrgerechtigkeit, Bullenwettbewerb - was die Nation bewegt, wird von Guttenberg erwähnt. Nur einer wird in der Klartext-Rede des Verteidigungsministers derart totgeschwiegen, dass es schon wieder auffällig ist. Kein Wort verliert Guttenberg über seinen Parteichef Horst Seehofer, mit dem er sich gerade in der Bundeswehr-Debatte mächtig streitet.

In seiner Ministerkarriere hat Guttenberg immer auch auf Bilder gesetzt. Als Opel vor dem Aus stand, reiste er - damals noch Wirtschaftsminister - in die USA und ließ sich mit ausgebreiteter Alles-meins-Pose am Times Square in New York ablichten. Und erst vor wenigen Tagen lieferte er der Presse Hochglanzbilder von der Front in Afghanistan. Er kann solche Inszenierungen gut begründen. Mitnichten sei er "kriegslüstern", sagt Guttenberg in Keferloh. Im Gegenteil: Es sei eine Aufgabe des Ministers, sich nicht nur vom Schreibtisch aus ein Bild von der Arbeit der Truppe zu machen.

Doch fernab aller medialer Inszenierung steht Guttenberg die schwerste Prüfung noch bevor. Er muss sich mit Seehofer einigen, die skeptische Kanzlerin von seinem Bundeswehr-Konzept überzeugen und dann muss er auch noch bei der Basis mit seinem Bundeswehr-Konzept punkten. Dann wird sich zeigen, was von den großen Worten des Karl-Theodor zu Guttenberg übrigbleibt.

Immerhin: CSU-Schwergewichte wie Markus Söder, Erwin Huber und Hans-Peter Friedrich hat er schon auf seine Seite gezogen - und auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hält die Pläne des Verteidigungsministers für sinnvoll.

Dem Land und der Bundeswehr ist es zu wünschen, dass die Debatte nicht nach dem Prinzip der Keferloher Bierkrüge endet. Deren Problem hat Guttenberg nämlich gleich erkannt: "Viel Schaum, wenig Bier - und keiner merkt's."

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