Gesundheit:Impfschutz, der sich lohnt

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Komplikationen von vermeintlich harmlosen Kinderkrankheiten wie den Masern werden oft unterschätzt

Von Werner Bartens

Irgendwer hat immer was gehört. Und das spricht sich rum. So lässt sich der Hauptgrund für die Impfskepsis in Deutschland zusammenfassen. Und das ist vermutlich die Ursache dafür, warum Quoten für Impfungen gegen Masern und Meningokokken besonders im südlichen Oberbayern und Schwaben niedrig ausfallen. "Nachbarschaftseffekt" nennen Forscher das Phänomen: Impfgegner tragen ihre Ablehnung über kommunale Grenzen. Irgendwann sind ganze Landstriche betroffen.

Besonders schnell verbreiten sich Mythen und Irrtümer. So ist es eine populäre Fehlannahme, dass es besser sei, eine Krankheit "durchzumachen", statt dagegen geimpft zu werden. Eine Impfung stimuliert das Immunsystem genauso, geht aber mit weitaus weniger Risiken einher. Das ist ja das Prinzip: Impfungen werden überhaupt nur empfohlen, wenn die Nutzen-Schaden-Bilanz eindeutig ist und Vorteile überwiegen. Dies gilt für Impfungen gegen Tetanus, Polio, Diphtherie genauso wie für jene gegen Masern, Mumps, Röteln, Windpocken, Keuchhusten, Meningokokken und einige andere Erreger. Im Vergleich der Masernerkrankung mit dem Impfschutz bedeutet dies, das Komplikationen infolge der Krankheit mindestens um den Faktor 1000 häufiger sind als Nebenwirkungen nach der Impfung.

Einer von tausend Masernkranken bekommt eine akute Hirnentzündung. Sie ist für zehn bis 20 Prozent der Betroffenen tödlich, 20 bis 30 Prozent bleiben geistig oder körperlich beeinträchtigt. Zwar selten, aber verheerend ist die subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE), eine Spätkomplikation Jahre nach der Infektion. Vier bis elf solcher Fälle kommen auf 100 000 Masernerkrankungen.

Sich gegen Masern impfen zu lassen, ist ein Appell an die Gemeinschaft. Bei Kleinkindern verlaufen Komplikationen schwerer. Geimpft werden kann aber erst ab dem zwölften Monat. Klaffen Impflücken, sind die Kleinsten besonders gefährdet, weil sie nicht mehr den Nestschutz der Mutter haben und noch nicht mit Impfungen geschützt werden können. Um die Masern auszurotten, müssten 95 Prozent der Bevölkerung geimpft sein. Dieser Wert wird nur in einigen Regionen Nord-Ostdeutschlands erreicht. In Südbayern liegt er örtlich unter 70 Prozent.

"Die Impflücken in Deutschland sind vielgestaltig und die Gründe dafür auch", sagt Susanne Glasmacher vom Robert-Koch-Institut (RKI). "Bei Masern sind vor allem Impflücken bei Kleinkindern und jungen Erwachsenen relevant. Kleinkinder werden oft zu spät geimpft, das ist vermutlich eher dem Vergessen geschuldet, wenn das Kind zum Impftermin krank war." Bei jungen Erwachsenen sind es vor allem Impflücken aus den Siebziger- und Achtzigerjahren, als nur einmal gegen Masern geimpft wurde und die Impfung noch nicht verbreitet war. Seit 1991 wurde die zweite Impfung für das Alter von fünf, sechs Jahren empfohlen, in dem damals eher wenige Kinder zum Arzt gingen.

Mangelnder Impfschutz lässt sich lokal oft auf impfskeptische Ärzte, Hebammen, Heiler oder andere Aktivisten zurückführen und ist besonders ein Phänomen unter Besserverdienern mit höherer Bildung. Vor populären Irrtümern sind auch sie nicht geschützt.

© SZ vom 15.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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