Gersthofen:Krachende Verluste

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Bayerns letzte Pyrotechnik-Firmen kämpfen ums Überleben

"Jetzt lassen wir's krachen", sagt Peter Sauer. "Wir müssen aber acht Meter Abstand halten, so weit dürfen die Trümmerteile nämlich fliegen." Mit den drei roten Kanonenschlägen in seiner Hand kennt sich Sauer aus. In der Firma des 58-Jährigen werden Feuerwerkskörper von Hand gefertigt - mit Unterbrechungen seit 1863. Jetzt fragt er sich, wie lange noch. "Ich bin ein gnadenloser Optimist", sagt Sauer. "Aber Corona macht uns - der ganzen Branche - den Gar aus." In den vergangenen Jahren bereitete seine Firma Feuerwerke für 120 Volksfeste, Hochzeiten und Firmenfeiern vor. Im Pandemie-Jahr 2020 waren es acht. "Dass wir das bis jetzt überstanden haben, liegt an staatlichen Hilfen und Kurzarbeit", sagt Sauer. "Wären wir alleingelassen worden, gäbe es uns jetzt nicht mehr." Dabei hat das Familien-Unternehmen in seiner mehr als 150-jährigen Geschichte vieles überdauert: zwei Weltkriege, mehrere Umzüge, Konkurrenz aus Asien und Feinstaub-Debatten. "Aber jetzt ist alles total zusammengebrochen", sagt Sauer. Von sechseinhalb Stellen in seiner Firma sind noch dreieinhalb übrig.

Sauers Unternehmen ist mit diesen Problemen nicht allein. "Nächstes Jahr könnte eine Pleitewelle kommen", sagt der Geschäftsführer des Verbands der pyrotechnischen Industrie(VPI), Klaus Gotzen. "Das hängt jetzt auch davon ab, ob es staatliche Hilfen gibt oder nicht." Das Verkaufsverbot zum Jahreswechsel treffe die Branche "härter als jede Umweltdiskussion". In dieser Zeit würden normalerweise 95 Prozent des Jahresumsatzes gemacht.

Auch Thomas Wagner hat derzeit wirtschaftlich zu kämpfen. Seine Firma in Bergen am Chiemsee ist neben Sauers Betrieb nach Kenntnis des VPI die einzige, die in Bayern noch selbst Feuerwerkskörper herstellt. Wagner hat vor zehn Jahren eine eigene Produktion hochgezogen - für Bühnenfeuerwerk und technische Geräte. "Wir waren hier mal zu viert, jetzt habe ich noch einen Mitarbeiter", sagt Wagner. Die dünne Auftragslage während der Pandemie habe er zur Entwicklung neuer Produkte genutzt. "Aber das wird sich noch eine Zeit ziehen", sagt Wagner. "Großveranstaltungen waren das Erste, das aufhörte, und sind das Letzte, was wiederkommt."

In Peter Sauers Feuerwerksfabrik sind deshalb Viktor Zimmermann und Marion Nagy an einem kalten Dezembermorgen als einzige bei der Arbeit. In Bungalows fertigen sie Signalfackeln, die etwa von der Polizei genutzt werden. Handarbeit sei dabei wichtig, betont Nagy: "Bei uns kommt es nicht auf Schnelligkeit an, sondern auf Genauigkeit." Mit solchen Geräten könne er sich über Wasser halten, sagt Sauer. Er lasse auch Hagelabwehrfackeln fertigen, die an Flugzeugen befestigt sicherstellen sollen, dass Niederschlag als Regen auf die Erde trifft. Hergestellt werden sie per Hand und mit Holzstößeln. Die Produktion aufzugeben, sei für ihn nie in Frage gekommen, sagt Sauer. "Wenn man nur noch ein Handelsbetrieb ist, verliert man viele Fähigkeiten." Doch Sauers Mitarbeiter fertigen auch immer noch Kanonenschläge. "Dabei mag ich es bis heute eigentlich nicht, wenn es knallt", sagt Geschäftsleiter Sauer. In seiner Wohnung auf dem Firmengelände könne er aber gut schlafen - dank seiner Mitarbeiter: "Ich habe gute Leute." Und wenn es darum geht, die Besonderheiten seiner handgefertigten Böller zu erklären, steckt Sauer selbst die Zündschnüre an. Vorher erklärt er noch, die Kanonenschläge hätten eine Sollbruchstelle, um verlässlich in der Mitte aufzuplatzen. Und er verwende Pappmaché statt Tonerde, das sei weniger gefährlich und dreckig.

Nach den drei Explosionen wird es ruhig auf dem Firmenareal in Gersthofen. Er sei ja ein gnadenloser Optimist, sagt Sauer wieder. Dennoch werde er im neuen Jahr Heizung und Licht in der Firma ausschalten, um Kosten zu sparen. "Und dann hoffe ich, dass es nächstes Jahr im Sommer wieder leichter wird." Nach einer kurzen Pause fügt er an: "Aber so richtig glaube ich nicht dran."

© SZ vom 30.12.2020 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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