Geräumter Hof in Oberbayern:Falsche Adresse für Protest

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An die 300 Demonstranten sind am Samstagabend mit Fackeln um den Forstmairhof in Gersdorf gezogen. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Sie kamen mit Fackeln und Trillerpfeifen: Am Wochenende haben viele gegen die Räumung des Forstmaierhofs demonstriert. Freie Meinungsäußerung ist wichtig. Doch mit dieser Art Haberfeldtreiben schießen die Beteiligten über das Ziel hinaus.

Ein Kommentar von Karin Kampwerth

Gespenstisch mutete der Zug von Demonstranten an, der am Samstagabend im Schneetreiben um den Forstmaierhof in Gersdorf in der Gemeinde Frauenneuharting gezogen ist. Mit Fackeln, Trillerpfeifen und unter Protestrufen, dass hier Unrecht geschehen sei, umkreisten die Teilnehmer das dunkle Bauernhaus. Ob die Altbäuerin, die vorige Woche gegen ihren Sohn, dessen Ehefrau und fünf Kinder die Zwangsräumung nach einem jahrelangen juristischen Streit vollstrecken ließ, überhaupt zu Hause war, ist ungewiss.

Man möchte der alten Frau aber unabhängig vom Geschehenen wünschen, dass sie sich an einem sicheren Ort befand und nicht in der Mitte einer aufgewühlten Menschenmenge, die sich stellenweise wie ein Mob gerierte und die Frage aufwirft, ob hier auch mal was außer Kontrolle geraten kann.

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Von Kerstin Kerscher

Der Hof ist die falsche Adresse für Protest

Bei der in diesen Tagen aus gutem Grund besonders umsorgten Liebe zur freien Meinungsäußerung ist es auf der einen Seite ohne jeden Zweifel nicht nur erlaubt, sondern erfreulich, wie die Nachbarn die junge Bauernfamilie moralisch unterstützen. Dennoch: Mit der Hatz, die am Samstag nun in einer Art Haberfeldtreiben auf diejenige endete, der man die Verantwortung für das Bauerndrama zuspricht, schießen die Beteiligten deutlich über das Ziel hinaus - und erweisen damit weder den Jungbauern noch der Meinungsfreiheit einen Freundschaftsdienst.

Ohnehin ist der Hof, auch wenn er im Mittelpunkt der ganzen traurigen Geschichte steht, die falsche Adresse für den Protest. Denn das Unrecht, das die Demonstranten als "Mollath 2" bezeichnen, hat seinen Ursprung in den verschiedenen Verfahren am Landwirtschaftsgericht und den Amtsgerichten in München und Ebersberg. Die Juristen dort dürfen sich die Frage gefallen lassen, warum im Fall der Familienstreitsache Forstmaier der unter gesetzlicher Betreuung stehende Altbauer nicht wenigstens angehört worden ist. Schließlich hatte ja selbst die Altbäuerin eingeräumt, dass es ihrem pflegebedürftigen Ehemann wohl am liebsten wäre, wenn der Sohn den Hof übernähme. Ein Experte auf dem Gebiet der Gerontopsychiatrie könnte sicher die Tragweite einer solchen Aussage beurteilen. Schließlich hat 1992 das Betreuungsrecht die Entmündigung auch aus dem Grund ersetzt, damit das Recht auf Selbstbestimmung der Betroffenen weitmöglichst erhalten bleibt.

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Von Korbinian Eisenberger

Anmerkung der Redaktion: Bislang hat Süddeutsche.de vom Oberhuber-Hof und der Familie Oberhuber berichtet. Da ihre wahren Namen durch das öffentliche Interesse und die zunehmende Berichterstattung in anderen Medien hinreichend bekannt sind, berichten auch wir jetzt nicht mehr unter Pseudonym.

© SZ vom 19.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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