Gemünden:Schnurlos glücklich

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Warum den Anwohnern im Spessart die Erdkabel nun auch nicht recht sind

Von Olaf Przybilla, Gemünden

Sein Haus hat Horst Rosche vor elf Jahren gebaut, der Traum vom Leben auf dem Land war Wirklichkeit geworden. Seit drei Jahren führt eine Gasleitung 250 Meter entfernt an seinem Haus in Karsbach (Landkreis Main-Spessart) entlang, das war ein erster Einschnitt. Nun muss Rosche sich auch noch darauf einstellen, dass in weiteren 150 Metern Entfernung der Korridor für ein Erdkabel entlang geführt wird. Rosche hat vernommen, dass die CSU jetzt Jubel erwarten würde über die Ergebnisse des Energiegipfels. Er frage sich nur: "Über was eigentlich?"

Robert Herold, parteiloser Bürgermeister im Markt Burgsinn, geht es da ziemlich ähnlich. Was ihn besonders stört, ist die Selbstgewissheit, mit der momentan argumentiert werde. "Der Ministerpräsident stellt sich hin und sagt: Erdverkabelung - alle Probleme gelöst." Ihn, Herold, beschleiche dagegen das Gefühl, "dass wir jetzt mehr Probleme als vorher haben". Herold ist auch Sprecher einer Bürgerinitiative im Sinngrund gegen den sogenannten SuedLink, und was er dort gerade erlebe, habe mit Wohlgefühl so ziemlich gar nichts zu tun. "Die Leute sind zum Teil hochemotional", sagt er.

Aber wollten nicht immer alle Erdverkabelung? Als Ultima Ratio, wenn wirklich ein Bedarf für neue Leitungen feststehe, hätten die Leute damit womöglich kein großes Problem, sagt der Bürgermeister. Der Bedarf aber sei den Leuten bis jetzt nicht hinreichend klar gemacht worden. Und gerade in Unterfranken hätten die Menschen Horst Seehofers Aussagen zuletzt als extrem widersprüchlich wahrgenommen. Erst Mitte Juni hatte der Ministerpräsident beim CSU-Bezirksparteitag in Bad Brückenau beteuert, neue Stromtrassen seien seiner Überzeugung nach nicht notwendig. Großer Jubel bei den Initiativen. Der ist ein paar Wochen später großer Ratlosigkeit gewichen. Herold ist noch nicht lange in der Politik. Der Vorgang, wie da einer im Brustton der Überzeugung in kürzester Zeit zwei ziemlich unterschiedliche Dinge verkaufe, mache ihn sprachlos. "Ich finde es schlimm", sagt Herold, "soll Seehofer halt erst nachdenken, bevor er irgendwas loslässt."

Ist das nicht Undankbarkeit? Immerhin fürchteten die Initiativen bislang eine "Monstertrasse über die Rhön". Die soll jetzt wohl nicht gebaut werden, dafür könnte der Strom über Korridore unterirdisch durch den Kreis Main-Spessart nach Grafenrheinfeld geleitet werden. Womöglich durch den engen Sinngrund. Im Tal geht das kaum, also müsste im bewaldeten Hang abgeholzt werden, mit 30 bis 40 Hektar rechnen sie allein in Burgsinn. Dort wären dann bis zu 20 Privatwaldbesitzer keine Waldbesitzer mehr - die Parzellen sind klein in Unterfranken. Dass sich Seehofer nun über die Empörung der Bürgerinitiativen aufregt, hält Herold für lächerlich: "Wenn der Korridor an seinem Haus vorbeiginge, würde er sie verstehen."

Gerade mit Blick auf den Kreis Main-Spessart ist auch dem Bund Naturschutz (BN) nicht zum Jubeln zumute. Edo Günther, Schweinfurts BN-Vorsitzender, spricht sogar von einem "Desaster". Statt die Energiewende in Bayern dezentral voranzutreiben, plane man nun mit den Erdkabeln "schwere Eingriffe in die Natur".

© SZ vom 15.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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