Freie Wähler:"Wir werden die Überraschungssieger sein"

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Die Freien Wähler strotzen vor Selbstbewusstsein: Ihr Chef Aiwanger rechnet mit mindestens acht Prozent - und will sogar die Grünen überholen.

Matthias Kolb

Hubert Aiwanger rechnet mit wenig Schlaf am Sonntagabend. Es werde eine lange Nacht im Maximilianeum werden, sagt der Landesvorsitzende der Freien Wähler (FW): "Aber es wird keine lange Zitterpartie geben, sondern unsere Siegesfeier wird so lange dauern", sagt der 37-Jährige voller Selbstbewusstsein.

Hubert Aiwanger rechnet damit, dass er in der Wahlnacht wenig Schlaf bekommt. (Foto: Foto: ddp)

Er ist sich sicher: "Wir werden feiern, nicht bangen." Die letzten Umfragen geben dem niederbayerischen Landwirt recht: Seine Partei liegt zwischen sieben und acht Prozent - dies wäre eine Verdoppelung des Ergebnisses von 2003.

Aiwanger kommt gerade auf dem Land mit seinen forschen Angriffen auf die Staatspartei gut an: "Unser Hauptgegner ist die CSU, denn wer regiert, der ist für die Defizite verantwortlich."

In der letzten Amtszeit von Ministerpräsident Edmund Stoiber sei viel schiefgelaufen, allen voran in der Bildungspolitik. In einer Hauruckaktion wurde das achtjährige Gymnasium eingeführt, bis heute gehe die "Bastelei an der Reform" weiter. Die FW versprechen kleinere Klassen sowie mehr Lehrer und wollen dafür im Haushalt umschichten und zur Not Schulden aufnehmen.

Daneben fordert Aiwanger mehr Investitionen in den ländlichen Raum sowie eine andere politische Kultur.

Der konservative Wählerverband mit seinen 40.000 Mitgliedern ist auf lokaler Ebene ein Machtfaktor. Viele FW-Politiker traten aus CSU und SPD aus, weil sie mehr an Sachpolitik als an Parteiintrigen interessiert waren und fast alle eint der Stolz auf die bayerische Heimat. Heute stellen die Freien Wähler 14 Landräte und mehr als 800 Bürgermeister.

Bei der Kommunalwahl im März erhielten die FW 19 Prozent der Stimmen, in den letzten Umfragen waren es sieben Prozent. Aiwanger sieht in der fehlenden Verwurzelung auch den Grund für das "Schwächeln" der Liberalen: "Die FDP hat in Bayern keine kommunale Basis und stellt kaum Bürgermeister."

Aiwanger: "Wir können die Grünen noch überholen"

Er hofft darauf, dass seine Freien Wähler noch zulegen und zur drittstärksten Kraft im Parlament werden: "Wir können die Grünen noch überholen."

Die Parteienforscherin Manuela Glaab von der Ludwig-Maximilians-Universität München warnt aber davor, sich zu sehr auf Umfragen zu verlassen. "Obwohl der Wahltermin näherrückt, sind zuverlässige Prognosen kaum möglich. Viele Wähler sind noch unentschlossen und das komplizierte System der Mandatsverteilung lässt keine Hochrechnung zu."

Da die FW erst zum dritten Mal auf Landesebene antreten würden, fehle es an Datenmaterial und Erfahrungswerten, betont Glaab: "Sie treten nicht geschlossen auf, was die Bürger normalerweise nicht honorieren. Es ist schwer abzuschätzen, ob dies auch für eine 'andere' Partei wie die Freien Wähler gilt."

Dies sieht FW-Chef Aiwanger anders und lobt die Seinen überschwänglich: "Es gibt keinen Streit oder Richtungskämpfe innerhalb der Partei."

Bisher sind die gefürchteten Probleme um Gabriele Pauli ausgeblieben - Aiwanger leugnet nicht, dass er die CSU-Rebellin anfangs ungern in seiner Partei sah. Immer spricht er von "einer Frau Pauli", die in Nürnberg nun Ministerpräsident Günther Beckstein herausfordert. Wenn die 51-Jährige ihrer Ex-Partei CSU vorwirft, im eigenen Saft zu schmoren, widerspricht niemand.

Paulis Idee der "Ehe auf Zeit", die alle sieben Jahre erneuert werde, halten viele FW-Anhänger für ein Hirngespinst. Aiwanger wiegelt ab: "Es weiß jeder, dass die Ehe auf Zeit nicht das neue Glaubensbekenntnis der FW ist."

Hubert Aiwanger geht optimistisch in die Landtagswahl. (Foto: Foto: AP)

Für volle Säle sorgt ebenfalls die Schlagersängerin Claudia Jung, die in Oberbayern unter ihrem bürgerlichen Namen Ute Singer kandidiert. Eine gewisse Prominenz hat auch Jürgen Lochbihler, der nahe des Münchner Viktualienmarkts die Schrannenhalle betreibt und mit vielen Plakaten und dem Slogan "Freiheit statt Bevormundung" wirbt.

Der Politneuling kritisiert die überbordende Bürokratie und das strenge Rauchverbot. Aus den täglichen Gesprächen mit den Gästen weiß der Wirt: "Viele sind sauer auf die CSU." Lochbihler will wie Pauli "gesunden Menschenverstand" in den Landtag bringen - und setzt auf die Solidarität des Gastronomiegewerbes: "Seit mehr als 40 Jahren war kein Wirt mehr im Landtag vertreten - das soll sich ändern."

Von Beckstein und den "Pfeifenköpfen"

Ein prominentes Zugpferd ist der ehemalige Freisinger Landrat Manfred Pointner. Der 65-jährige Lokalpolitiker ist einer der prominentesten Gegner der dritten Startbahn am Münchner Flughafen. Die Anwohner befürchten mehr Fluglärm und halten die Pläne der Staatsregierung in Zeiten steigender Benzin- und Kerosinpreise für unrealistisch.

Zuletzt wurde Ministerpräsident Beckstein in Freising zwei Stunden lang ausgepfiffen, worauf er die Bürger als "Pfeifenköpfe" bezeichnete. Hier drohen der CSU größere Verluste: Bei der Landratswahl im März schaffte es ihr Kandidat nicht mal in die Stichwahl - allerdings wurde Altministerpräsident Stoiber zuletzt in der Domstadt recht wohlwollend empfangen.

Das Thema Flughafen wäre eine Hürde, sollte es nach der Landtagswahl zu Gesprächen mit der Staatspartei kommen: "Die CSU müsste die Finger von der dritten Startbahn lassen," bestätigt Landeschef Aiwanger. Ansonsten werde man überprüfen, mit wem die eigenen Ziele durchsetzbar seien: "Wir müssen nicht Berufspolitiker werden, denn wir haben alle noch unsere Brotberufe."

Ob es zu Verhandlungen kommen wird, ist ungewiss. Es weht ein rauer Wind im bayerischen Landtagswahlkampf, nicht erst seit die CSU einen "politischen Kreuzzug" gegen die Linke eröffnet hat und so die Stimmung anheizt. Auch die FW werden mitunter hart angegangen: Nachdem Aiwanger forderte, die Macht der Energiekonzerne zu begrenzen, hielt ihm Staatskanzleichef Eberhard Sinner (CSU) "Populismus" vor und warnte vor einem "Linksruck".

Landwirt Aiwanger demonstrierte damals nach außen Gelassenheit: "Das zeigt nur, wie nervös die CSU ist." Er weiß selbst, dass er mit manchen Formulierungen übers Ziel hinausschießt - etwa wenn er die Staatspartei als "gekauft und korrupt" bezeichnet.

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