Freie Wähler Oberbayern:Machtkampf um Bezirksvorsitz

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Sie gilt vielen Freien Wählern als profillos und wankelmütig: die oberbayerische Bezirkschefin Gottstein. Doch ihren Posten will sie auf keinen Fall räumen. Jetzt ist ein Machtkampf mit Wunschkandidat Streibl entbrannt.

Christian Sebald

Bei den Freien Wählern in Oberbayern ist ein Machtkampf um den Bezirksvorsitz entbrannt. "Unsere Vorsitzende Eva Gottstein hat ganz gewiss ihre Verdienste", sagte der Ingolstädter Landtagsabgeordnete Markus Reichhart am Samstag am Rande der Landesdelegiertenversammlung in Rosenheim. "Aber wir sind nach wie vor organisatorisch nicht optimal aufgestellt, außerdem müssen wir uns inhaltlich schärfer profilieren." Deshalb, so Reichhart, solle die Eichstätter Landtagsabgeordnete den Bezirksvorsitz zur nächsten Vorstandswahl im Spätsommer räumen.

Wunschnachfolger Reichharts und vieler anderer Oberbayern ist der Oberammergauer Florian Streibl. Der will den Vorsitz des mitgliederstärksten Bezirksverbands der Freien Wähler auch übernehmen. Aber Gottstein will nicht Platz machen. "Ich trete selbstverständlich wieder an", sagte die 60-jährige Realschullehrerin. "Ebenso wie ich 2013 wieder in den Landtag will."

Gottstein ist seit langem umstritten - bei den Freien Wählern in Oberbayern ebenso wie in der Landtagsfraktion. Vielen gilt sie als führungsschwach, profillos und wankelmütig. Zum Beispiel in Sachen Bundestagskandidatur der Freien. Gottstein hat sie monatelang bekämpft. Intern drohte sie sogar wiederholt an, sie werde sich aus der Landespolitik zurückziehen, sollten sich FW-Chef Hubert Aiwanger und die anderen Befürworter der Bundestagskandidatur durchsetzen. "Da kann Gottstein doch jetzt nicht plötzlich glaubwürdig Wahlkampf für den Bund machen", sagt ein Vorständler aus Oberbayern, "sie beteuert zwar, dass sie umgedacht hat, aber die Leute nehmen sie nicht mehr ernst."

Auch in der Fraktion ist Gottstein Außenseiterin. Dass sie inzwischen wieder Fraktionsvize ist, hat angeblich nichts zu besagen. "Das war ein denkbar unglücklicher Abstimmungsunfall", heißt es aus der Fraktion. "Wir belassen es nur dabei, um keinen Staub aufzuwirbeln." Und in der Bildungspolitik - ihrem eigentlichen Feld im Landtag - tritt die Realschullehrerin sehr blass auf. Die Resolution zur Bildungspolitik, welche die Freien Wähler am Samstag verabschiedeten, präsentierte nicht etwa sie, sondern ihre Fraktionskollegen Tanja Schweiger und Günther Felbinger.

Streibl hingegen gilt als sehr engagiert und fleißig. Der 49-jährige Rechtsanwalt und Sohn des früheren CSU-Ministerpräsidenten Max Streibl führt seit einem Jahr auch die Geschäfte der Landtagsfraktion - und hat sich in der Funktion schnell Aiwangers Vertrauen erworben. Streibls Anhänger erwarten vor allem, dass er der in Oberbayern noch weit verbreiteten Skepsis gegen die bundespolitischen Ambitionen der Freien entgegentritt und den Zusammenhalt stärkt.

"Mit 15.000 Mitgliedern ist Oberbayern zahlenmäßig unser stärkster Bezirksverband", sagt auch Aiwanger. "Er muss unser Zugpferd werden und den bevorstehenden Wahlen zweistellige Ergebnisse holen." Nicht so wie 2008, als die Freien hier nur 8,8 Prozent einfuhren und von den Niederbayern und Oberpfälzern weit überflügelt wurden. Zudem könnte Streibl - so die Hoffnung der Oberbayern - auch als Person Akzente setzen gegenüber dem nach wie vor omnipräsenten FW-Chef Aiwanger.

Der bekräftigte in der Delegiertenversammlung den bundespolitischen Anspruch der Freien Wähler. Zugleich warf Aiwanger der Staatsregierung und Ministerpräsident Horst Seehofer milliardenschwere Fehlinvestitionen vor. Als Beispiele nannte er die dritte Startbahn für den Münchner Flughafen und die vor dem Aus stehende zweite Stammstrecke der Münchner S-Bahn.

Vor den knapp 250 Delegierten übte Aiwanger außerdem heftige Kritik an Seehofers Plänen für ein schuldenfreies Bayern bis 2030. "Wir können nicht den Abbau von 33 Milliarden Euro Schulden angehen und dabei die 20 Milliarden Miesen der Kommunen vergessen", rief er den Delegierten zu. Entweder müssten sämtliche Schulden getilgt werden, "oder wir lassen die Finger davon".

Mit großer Mehrheit verabschiedeten die Delegierten die Resolution zur Bildungspolitik. Darin lehnen sie die Gemeinschaftsschule ab, sprechen sich aber für eine schulartenübergreifende Zusammenarbeit auf regionaler Ebene aus. In einer Resolution zur Europapolitik wünschen sich die Freien Wähler ein Europa der Regionen, "das lokale Unterschiede berücksichtigt und von den Bürgern sowie sich selbstverwaltenden Kommunen getragen wird". Zur Euro-Krise heißt es: "Wir wollen den Euro erhalten, aber nicht um jeden Preis." Außerdem starteten die Freien Wähler eine Massenpetition an den Bundestag, in der sie fordern, dem neuen Euro-Rettungsschirm ESM die Zustimmung zu versagen.

© SZ vom 23.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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