Frauenmord in Mespelbrunn:Polizei fasst Tatverdächtigen

Lesezeit: 3 min

Festnahme nach einjähriger Fahndung und Pannen wie in einer Räuberpistole: Alexander R., der Mann aus dem "Wirtshaus im Spessart", soll die Mutter dreier Kinder getötet haben - aus verschmähter Liebe.

O. Przybilla

Alexander R. ist dringend verdächtig, die Mutter von drei Kindern getötet zu haben. Vor 354 Tagen, am 25.Juli 2008, soll er auf dem Parkplatz des Schlosshotels in der Spessart-Gemeinde Mespelbrunn die 32 Jahre alte Carmen S. erstochen haben. Die verheiratete Frau war eine Kollegin des Verdächtigen, gemeinsam arbeitete man in dem Hotel, das sich in Mespelbrunn unter dem Namen "Wirtshaus im Spessart"einen guten Namen gemacht hat.

Der mußtmaßliche Mörder von Mespelbrunn auf einem Fahndungsfoto der Polizei. (Foto: Foto: ddp)

Aus verschmähter Liebe soll der 37 Jahre alte R. gehandelt haben. Seit der Tat war er flüchtig - und manchmal wirkte es so, als wolle er die Ermittler zum Narren halten und ein ganzes Spessart-Dorf in Angst versetzen. Immer wieder tauchte der mutmaßliche Frauenmörder auf, nie aber wurde er gefasst. Am Samstag fand die Flucht ein Ende.

So spektakulär sich die Fahndung mehr als elf Monate lang hinzog, so unaufgeregt verlief die Festnahme. Auf dem Bahnhof im französischen Colmar war R. routinemäßig aufgefordert worden, seine Personalien zu zeigen, was der Mann auch tat. Danach ließ er sich festnehmen, ohne Widerstand zu leisten. "Es ist zu einer sehr unspektakulären Festnahme gekommen", fasst ein Kriminaloberrat aus Aschaffenburg das Geschehen auf dem Bahnhof in Colmar zusammen. Zuvor war R. an mehreren Bankschaltern in der gesamten Bundesrepublik fotografiert worden. Und manchmal hatte es so gewirkt, als mache sich da einer einen Jux. Immer wieder änderte der Mann sein Aussehen. Vor einem Monat hatte der Chefermittler in der Sache R. berichtet, man verfüge zwar über Videomaterial und ein Foto, auf dem der Verdächtige nur eine Woche vor der Tat zu erkennen sei. Auf diesem Foto aber sei er als Spessart-Räuber verkleidet, mit entsprechendem Hut.

Fast genau ein Jahr hat die Flucht von R. gedauert. Der 37-Jährige hat die Ermittler in dieser Zeit vor eine Aufgabe gestellt, mit der sie nicht immer glücklich wirkten. Etwa im Januar 2009. Damals wollten mehrere Augenzeugen gesehen haben, wie der mutmaßliche Mörder R. quer durch die Spessart-Gemeinde Mespelbrunn spaziert ist. Die Polizei löste eine Großfahndung aus. Meter für Meter wurde der Wald durchforstet, sogar der Mespelbrunner Bürgermeister Erich Schäfer sollte sich am Einsatz beteiligen. Weil Schäfer einen Allradwagen besitzt und der Wald tief verschneit war, klapperte der Bürgermeister gemeinsam mit den Fahndern die Jägerhütten im Dickicht ab. Vergeblich. Zwei Monate später tauchte R. abermals im Ort auf. Mitten in der Nacht drang er bei Verwandten ein und verlangte Geld und EC-Karten. Anschließend war er genau in jenem Auto geflüchtet, das er schon beim ersten Mal zur Flucht genutzt hatte - das die Polizei aber dem Eigentümer des Wagens, einem engen Verwandten von Alexander R., zurückgeben musste.

Kurz zuvor hatten sich die Ermittler bereits am Ziel geglaubt. In einer Nacht im Januar hatte ein Spezialeinsatzkommando (SEK) das Haus eines Mannes im angrenzenden Dorf Leidersbach gestürmt. Der Mann berichtete von einem Albtraum. Mitten im Schlaf habe er plötzlich grelles Licht gesehen - und zu Bewusstsein sei er erst wieder am Boden gekommen. Wie gefesselt habe er sich gefühlt, das Knie eines SEK-Mannes im Rücken. Der angebliche Unterstützer von R. erlitt bei dem Einsatz eine Nasenverletzung, ein Blutfleck auf dem Holzboden dokumentierte das noch Tage danach. Man habe damit rechnen müssen, dass zumindest der flüchtige R. im Besitz von Waffen sei, erklärten Beamte des SEK den rabiaten Einsatz. Auch habe es konkrete Hinweise gegeben, dass sich R. in der Wohnung aufhalte.

Dort war er aber nicht. Der Anwohner aus dem Haus in Leidersbach erklärt bis heute, er kenne diesen R. eigentlich gar nicht. Nur einmal will er ihn beiläufig wahrgenommen haben, zwei Jahre zuvor bei der Aufführung der Festspielgemeinschaft. Im Mespelbrunner Schloss spielen die Leute aus Mespelbrunn und den angrenzenden Dörfern gelegentlich das ,,Wirtshaus im Spessart'' nach - jenen wunderbaren Kitschfilm mit Liselotte Pulver, der dem Wasserschloss in Mespelbrunn im Jahr 1957 eine gewisse Prominenz verschafft hat. In dem Laienstück gab der Mann aus Leidersbach einen Soldaten, R. spielte einen Räuber. Allerdings nur drei von 29 Aufführungen lang. Dann erlitt R. eine Verletzung des Innenohrs wegen eines zu lauten Knalls aus einer Räuberpistole.

"Spessart-Räuber"

Der Auftritt beim Festspiel galt trotzdem nicht als letzter Auftritt von R. als Räuber im Spessart. Der ehemalige Student, der sein Informatik-Studium abgebrochen hatte, verdingte sich in der Folge immer wieder als leibhaftiger "Spessart-Räuber". In Mespelbrunn werden in Anlehnung an den Liselotte-Pulver-Film immer wieder Touristenbusse im Wald überfallen, auf Bestellung. Der Bus wird gestoppt, die Gäste werden gefesselt, und zur Aufheiterung gibt es Schnaps aus Franken und Lieder aus dem Pulver-Film. Auch bei dieser Truppe war R. aktives Mitglied.

Die Mitspieler berichteten von ihm als einem verschlossenen, aber friedfertigen Menschen. Im Ort erzählt man sich, R. sei, wenn überhaupt, nur durch seine sehr spezielle Art aufgefallen, seine Worte bewusst zu setzen. Vor der mutmaßlichen Tat am Mespelbrunner See sei er niemals negativ in Erscheinung getreten. Zwar wussten viele im Dorf, dass R. eine schwere Kindheit gehabt haben soll. Dass er im Jahr 1993 als Student seine ehemalige Freundin nach Spanien entführt hatte, wussten freilich die wenigsten. Das hat sich erst nach der Tat herumgesprochen.

Der Bürgermeister von Mespelbrunn, Erich Schäfer, zeigt sich ,,sehr erleichtert'' über die Festnahme. Im Dorf hätten sich die Leute zwar nicht panisch verhalten in den vergangenen elf Monaten. Aber ein ,,mulmiges Gefühl'' sei nicht zu bestreiten gewesen - gerade weil R. immer wieder zurückkam in den Spessart.

© SZ vom 13.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: