Filmstadt München:Schweine, Schampus, Schickeria

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Dreharbeiten für den "Polizeiruf 110" im Münchner Bahnhofsviertel. (Foto: Robert Haas)

Stanley Kubrick hat sich hier herumgetrieben, "Pepe, der Paukerschreck" und der Monaco Franze sowieso: Seit dem frühen 20. Jahrhundert ist München Drehort für Trash, Krimis oder Kinostreifen. Und so manche Ecke ist auch über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt - ein Streifzug.

Von Melanie Staudinger

Münchens Filmgeschichte hat eine lange Tradition. Bereits im Jahr 1913 drehte Karl Valentin hier seinen ersten Film, 1919 gründete Peter Ostermayr seinen Atelierbetrieb zur Fertigung von Kinofilmen, aus dem später die Bavaria wurde, eines der größten Film- und Fernsehstudios in Europa.

Seit dem frühen 20. Jahrhundert ist München immer Filmstadt gewesen, auch abseits der großen Filmstudios im Süden der Stadt. Krimis, Kinderproduktionen, Kinostreifen, Science Fiction, Trash, Comedy, Sexfilmchen oder typische Münchner Serien wurden in der Stadt gedreht. Filmemacher wie Stanley Kubrick, Wolfgang Petersen, Orson Welles, Helmut Dietl, Doris Dörrie und Rainer Werner Fassbinder gastierten mit ihren Produktionen hier. Und so wurde manches Gebäude, die ein oder andere Straße und manches Viertel weit über die Grenzen der Stadt bekannt - eine Auswahl:

Maximiliansgymnasium

Das humanistische Maximiliansgymnasium in Schwabing ist auf den ersten Blick eine ganz normale Schule, vielleicht einmal abgesehen von der Tatsache, dass es bereits vor 100 Jahren eröffnet wurde und noch immer Altgriechisch lehrt. Fernsehliebhabern aber ist das Gebäude aus mehreren Produktionen bekannt. In den Filmen "Pepe, der Paukerschreck", "Hurra, die Schule brennt!", "Wir hau'n die Pauker in die Pfanne!", "Morgen fällt die Schule aus" und "Betragen ungenügend!" doubelt das Max-Gym, wie es kurz genannt wird, das Mommsen-Gymnasium in Baden-Baden. Wenn Hansi Kraus als Pepe Nietnagel seine Scherze treibt, geschieht das sogar in den realen Klassenzimmern.

Auch in zahlreichen Produktionen aus den 1970er-Jahren erkennt man die Schule, etwa in "Der Kommissar: Auf dem Stundenplan Mord", "Der Kommissar: Tod eines Schulmädchens" oder "Derrick: Der Tag nach dem Mord". Uschi Glas muss es in Schwabings Schulen besonders gut gefallen haben. Sie spielte in den Pepe-Filmen ebenso mit wie später in "Silvia, eine Klasse für sich", einer Serie, in der das Oskar-von-Miller-Gymnasium an der Münchner Freiheit die Kulisse bildet. "Die Schüler von damals kamen also als Lehrer nach Schwabing zurück", sagt der Filmexperte Sebastian Kuboth, der in München Führungen zu Drehorten anbietet.

Ludwig-Maximilians-Universität

Nicht nur die Schulen, auch die Universitäten sind beliebte Sets. So begannen im Juni 2004 im Lichthof der Ludwig-Maximilians-Universität die Dreharbeiten zu "Sophie Scholl - Die letzten Tage". Regisseur Marc Rothemund wollte alles so echt wie möglich aussehen lassen, und hatte im Lichthof seine Schwierigkeiten. Zu modern waren die Glastüren, Lichtschalter und Lampen. Sie mussten kaschiert oder ausgetauscht werden, damit es so aussah wie 1943, als die Geschwister Scholl Flugblätter gegen das Nazi-Regime verteilten und zum Tode verurteilt wurden.

Der Filmemacher hatte ohnehin Glück. Denn im Sommer 1944 verwüsteten alliierte Luftangriffe das Uni-Hauptgebäude schwer, nach Kriegsende wurde aber unter anderem der Lichthof nach den originalen Plänen wieder aufgebaut.

Haidhausen

Das alte Haidhausen ist umstritten. Während die einen in Lobgesänge auf das heruntergekommene Viertel einstimmen, sind andere froh, dass sich so viel getan hat in den vergangenen Jahren und sich der Stadtteil weitgehend assimiliert hat.

Deutschlands Filmemacher sind wohl eher der ersten Kategorie zuzuordnen. Wann immer sie eine heruntergekommene Location brauchten, wurden sie in Haidhausen fündig. "Die Supernasen" mit Thomas Gottschalk und Mike Krüger wurden dort gedreht. Oder die Münchner Kultserie "Die Hausmeisterin" mit Veronika Fitz, Helmut Fischer und Ilse Neubauer in den Hauptrollen, deren Wohnung in der Balanstraße 19 sich fast unscheinbar in die Häuserzeile einreiht.

Neuperlach

Haidhausen hat als Ghetto ausgedient. Das Marx-Zentrum am Peschelanger in Neuperlach übernahm diese Rolle. Die TV-Serie "Arme Millionäre" spielte hier ebenso wie Episoden aus Gerhard Polts "Fast wia im richtigen Leben". Der Film "Das beste Jahr meines Lebens" mit Christine Neubauer wurde dort gedreht. Ihre Filmtochter bezeichnet das Marx-Zentrum als "Rattenloch".

Die massiven Häuser dort erheben sich bis zu 15 Stockwerke in den Himmel. An den Fassaden prangen schwarze Platten, nur vereinzelt sind Wandflächen gelb gestrichen. Die Blocks sind im Halbkreis angeordnet. Sie strahlen etwas Bedrohliches aus - und wirken vielleicht gerade deshalb anziehend auf Filmemacher.

Schlachthofviertel

Wie aus längst vergangenen Tagen sieht es auch im Schlachthofviertel aus. Schmierereien an den Mauern, die Boazn "Zur Gruam", die verblichen gelben, an machen Stelle gar grünlich schimmernden Gebäude der Großmarkthalle. Idealer hätte der Drehort für Franz Xaver Bogners Fernsehserie "Zur Freiheit" kaum sein können.

"Zur Freiheit" nämlich wird da der neue Name der alteingesessenen, aber heruntergekommenen Wirtschaft im Schlachthof. Wirtin Paula (Ruth Drexel) bedient dort auch die Metzger von nebenan, die sich bei einem kühlen Bier schon mal derb über die fetten Schweine unterhalten, die sie soeben geschlachtet haben. Eine Milieustudie eben. Auch "Ottis Schlachthof" und Teile der Serie "Um Himmels Willen" wurden dort gedreht.

Romagna Antica

Böse, gemein und hinterfotzig: So werden Filmmenschen vorurteilsbelastet gerne beschrieben. In Helmut Dietls "Rossini - oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief" geht es um die Mächtigen der deutschen Filmszene, und die brauchen natürlich ein standesgemäßes Lokal weit ab von den massentauglichen Mega-Events für Jedermann.

In München gab es das Romagna Antica, einen fast unscheinbaren Pavillon-Anbau an der Ecke eines 1960er-Jahre-Wohnblocks in der Elisabethstraße. Achim Zeilmann schreibt in seinem Buch "Drehort München" dazu: "Spektakulär wurde er erst durch die Gäste, die hinter den großflächigen Fenstern und im Sommer auf der Terrasse saßen. Wer im deutschen Film etwas sein oder werden wollte, traf sich hier."

Stammgäste waren Helmut Dietl, Bernd Eichinger oder Patrick Süßkind. Dietl ließ seine Schlüssellochgeschichte über die Film-Schickeria einfach im Romagna Antica spielen. Gedreht wurde allerdings im Bahnausbesserungswerk München-Freimann, sonst hätte die Gaststätte zwei Monate lang schließen müssen. Was Dietl am Restaurant schätzte: Berufliches und Privates seien nicht getrennt gewesen.

Englischer Garten

Der Monaco Franze hat es vorgemacht, wie man im Englischen Garten ein richtiges Picknick veranstaltet. Angesichts der Wirtschaftskrise macht der Stenz (gespielt von Helmut Fischer) einen Dolmetscherkurs. Doch anstatt zu lernen, holt er lieber Lachs, Wein und Trauben im Feinkostgeschäft und lädt vier hübsche Mitschülerinnen zum Essen unter freiem Himmel ein.

"Im Englischen Garten wurden nicht nur Münchner Serien, sondern eine Vielzahl von Filmen gedreht, vor allem historische Stoffe", sagt Filmexperte Kuboth. Der Grund: Dort gibt es keine modernen Gebäude, die man hätte retuschieren müssen.

Oberhaching

Der Fanclub der Kindersendung "Löwenzahn" hat lange suchen müssen. Was die wenigsten wissen: Bevor Peter Lustig von seinem Berliner Bauwagen aus Kindern die Welt und ihre Geheimnisse erklärte, wurde die Reihe in München unter dem Titel "Pusteblume" gedreht. Nach unzähligen Telefongesprächen hat der Fanclub den Drehort in Oberhaching ausgemacht.

"Das Haus steht auch heute noch und sogar die Besitzerin ist noch dieselbe wie damals", schreibt er auf seiner Homepage. Dort wurden nur die Außenaufnahmen gefilmt. Die Produktionsfirma stritt sich mit dem ZDF, die Serie wurde eingestellt und von einer anderen Firma in Berlin als "Löwenzahn" fortgesetzt. In der ersten Folge zieht Peter Lustig dann auch aus dem Haus aus, weil der Fluglärm unerträglich ist.

© SZ vom 12.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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