Familiendrama in Eichenau:Eine Tragödie ohne Ankündigung

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Die Hintergründe des Familiendramas in Eichenau geben der Polizei weiterhin Rätsel auf. In dem Ort herrscht Fassungslosigkeit.

Stefan Salger

Die Hintergründe des Familiendramas in Eichenau geben der Polizei weiterhin Rätsel auf. In dem Ort im Landkreis Fürstenfeldbruck herrschte am Mittwoch Fassungslosigkeit. Am Dienstag waren das Ehepaar im Alter von 40 und 42 Jahren sowie seine siebenjährigen Zwillingstöchter tot in verschiedenen Zimmern ihres Reiheneckhauses gefunden worden. "Wir haben noch keinen Abschiedsbrief gefunden", sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord in Ingolstadt. Ein Kriseninterventionsteam betreute am Vormittag in der katholischen Schutzengel-Kindertagesstätte die Hortgruppe der ums Leben gekommenen Mädchen.

Fest stand bis Mittwochabend, dass es sich um ein Gewaltdelikt innerhalb der Familie handelt. Den Tatablauf konnte die Staatsanwaltschaft im Anschluss an die Autopsie in der Münchner Rechtsmedizin inzwischen rekonstruieren. Der 40 Jahre alte Vater hatte offenbar zunächst seine 42 Jahre alte Ehefrau und die Zwillingstöchter erwürgt und anschließend sich selbst umgebracht. Die Kinder und die Frau wiesen am Kopf zudem Verletzungen auf, die durch einen stumpfen Gegenstand verursacht worden seien, hieß es. Die Beamten hatten die Leichen der Mädchen am Dienstagnachmittag in ihren Kinderzimmern gefunden, die Leiche der Frau im Keller. Der Mann entzündete nach der Tat im Schlafzimmer offenbar einen Gartengrill, atmete die giftigen Dämpfe ein und starb an den Folgen einer Kohlenmonoxidvergiftung.

Die Polizei schließt weder einen Beziehungskonflikt noch finanzielle Motive aus. Hinweise erhofft sie sich von der Untersuchung des Computers der Familie. Eines der Kinder sei vor einigen Jahren an Nierenkrebs erkrankt - das wurde im Ort als mögliches Motiv für eine Verzweiflungstat genannt. Das Mädchen habe den Kindergarten ein Jahr lang nicht besuchen können. Eine Chemotherapie habe dann aber offenbar angeschlagen.

Die Familie lebte erst seit einigen Jahren in Eichenau. Die Frau war als Online-Projektmanagerin bei einer Tochtergesellschaft des Süddeutschen Verlags beschäftigt, ihr Mann arbeitete freiberuflich ebenfalls in der Verlagsbranche. Der Arbeitgeber der 42-Jährigen hatte die Polizei verständigt, weil die Frau seit Montag unentschuldigt fehlte. Die Polizei ließ die Haustür von einem Schlüsseldienst öffnen. Den Tatzeitpunkt grenzte die Staatsanwaltschaft auf das vergangene Wochenende ein. Mit den Eltern des Ehepaares nahmen die Ermittler Kontakt auf. Sie wohnen nicht in Bayern.

Ein Nachbar bezeichnete die Familie als unauffällig und hilfsbereit. "Für uns alle kommt das absolut überraschend", es habe keinerlei Anzeichen auf innerfamiliäre Konflikte gegeben, sagte er. Passanten in der Kirchenstraße äußerten sich schockiert. Vor dem Haus legten Nachbarn und Schulkameraden der beiden Zwillingsmädchen Blumen nieder und zündeten Kerzen an. "Lasst uns nicht vergessen, dass das Leben schön sein kann", steht handschriftlich auf einem Blatt Papier. Einige Anwohner zogen sich wegen des großen Aufgebots an Fernsehteams in ihre Häuser zurück.

Am Vormittag kümmerte sich ein dreiköpfiges Kriseninterventionsteam der Gröbenzeller Malteser um die Hortgruppe, die bis vergangene Woche von den beiden siebenjährigen Mädchen besucht worden war. Die Trauma-Therapeutin Kim Balcke, die der für den Landkreis zuständigen Einsatzgruppe angehört, sagte, es sei sehr wichtig, Kindern möglichst schnell nach so einer Tragödie zur Seite zu stehen. Drei Stunden lang habe die "große Fragerunde" im Hort gedauert. Wichtig sei es, so Balcke, schnell, klar und altersgerecht zu informieren, um damit Ängste zu nehmen und kindliche Phantasien in geregelte Bahnen zu lenken. Das Team habe versucht, "Struktur in die ersten Stunden" zu bringen und "eine Brücke in den Alltag" zu bauen. Eltern und Betreuer beteiligten sich an den Gesprächen.

© SZ vom 01.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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