Falsche Tierfreunde:Ein Exot fürs Ego

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Im Münchner Tierheim lebt seit einigen Tagen das Kapuzineräffchen Mally des Popsängers Justin Bieber, das diesem am Flughafen abgenommen wurde. Doch Affen wie Mally gehören weder ins Reisegepäck noch eignen sie sich als Haustiere. (Foto: REUTERS)

Im Münchner Tierheim lebt seit einigen Tagen das Kapuzineräffchen Mally von Popsänger Justin Bieber. Wellensittich, Kaninchen oder Meerschweinchen? Finden viele Menschen langweilig. Sie stehen auf Affen oder Reptilien - und halten diese oft nicht artgerecht.

Von Andreas Schubert

Sie war länger hinter Gittern als mancher Schwerverbrecher. 13 Jahre lang war Sofieke in einem dunklen Käfig eingesperrt. Aus Gaudi gab ihr Halter ihr Kaffee und Bier zu trinken. Dann, im Alter von etwa 26 Jahren, befreiten Tierschützer das Äffchen aus seiner Einzelhaft und gaben es in die Obhut des Deutschen Tierschutzbundes, der das Schopfmangaben-Weibchen in einem primatengerechten Affenhaus unterbrachte.

Dem kleinen Billy hingegen blieb ein längeres Martyrium erspart - wenn er auch eine qualvolle Reise erleben musste. Eine Touristin hatte ihn auf einem Markt in Afrika gekauft und versucht, ihn nach Deutschland zu schmuggeln. Dazu hatte sie das Meerkatzenbaby in Schmutzwäsche eingewickelt und in den Koffer gequetscht. Zum Glück für Billy, der nun ebenfalls in einem Affenasyl lebt, entdeckten Zöllner des Frankfurter Flughafens die lebende Fracht.

Geschichten wie diese können der Deutsche Tierschutzbund oder Organisationen wie "Affen in Not" dutzendweise erzählen. Denn so wie Sofieke oder Billy geht es unzähligen Tieren, deren Besitzer entweder keine Ahnung von artgerechter Haltung oder einfach kein Interesse daran haben. Nur wird ihr Schicksal selten so bekannt wie das von Mally, dem Kapuzineräffchen des Popstars Justin Bieber.

Die Münchner Biologin Sandra Altherr kann sich über solche Fälle richtig ärgern. "Affen eignen sich generell nicht als Haustiere", sagt sie. Primaten wie Mally seien sehr soziale Tiere und lebten in der freien Natur in größeren Gruppen. So ein Tier alleine zu halten, sei deshalb schon von Haus aus nicht artgerecht. Doch die vermeintlichen Tierfreunde dächten nicht daran, was eigentlich passiert, wenn ein Tierbaby groß wird. "Affen werden niemals stubenrein", sagt Altherr, die auch Mitbegründerin der Münchner Tier- und Artenschutzorganisation "Pro Wildlife" ist. "Und wenn sie dann erwachsen sind, werden sie in einen Käfig gestopft."

"Wellensittich und Kaninchen haben ausgedient"

Pro Wildlife unterstützt unter anderem Artenschutzprojekte in verschiedenen Ländern, etwa um Opfer von Wilderei und Wildtierhandel zu retten und in Auffangstationen gesund zu pflegen oder Lebensräume von Wildtieren zu schützen. Weiter leistet die Organisation Aufklärungsarbeit bei der Bevölkerung, um ein Bewusstsein für die Tiere zu wecken. Dazu setzt sich der Verein für strengere Artenschutzgesetze ein.

Und die Liste der bedrohten Arten, die das Objekt der Begierde von falschen Tierfreunden sind, ist lang. Dazu zählen außer Affen alle möglichen Spezies - vom Karakal, einer seltenen asiatisch-afrikanischen Raubkatze, bis hin zur Riesenschlange. Woher diese Vorliebe für Exoten kommt? "Wellensittich und Kaninchen haben ausgedient", glaubt Altherr. "Es gibt einen Trend zum Haustier, das der Nachbar nicht hat."

Dabei sei der illegale Handel mit seltenen Reptilien oder vom Aussterben bedrohten Vogelarten nicht mal das größte Problem - sondern der ganz legale Handel mit Tieren, sagt Altherr. So ist zum Beispiel der Verkauf von Nachzuchten von eigentlich geschützten Tierarten erlaubt, die nicht in der Wildnis gefangen und verkauft werden dürfen. Allerdings, so Altherr, gingen die Tierfänger im Auftrag der Händler in der Natur gezielt auf die Suche nach trächtigen Weibchen.

Sie vertrauen dabei auf die unterschiedlichen Gesetze. So gibt es Staaten, die den Export von bestimmten Arten zwar verbieten. Die Einfuhr dieser Arten ist aber, wie etwa im Fall einer Gecko-Art aus Tansania, in der EU erlaubt. Umgekehrt gibt es Staaten, die nichts gegen die Ausfuhr haben, die EU aber sehr wohl etwas gegen den Import.

Ein weiterer Trick der Händler: Glückt ein illegaler Schmuggel und kommen die Jungtiere hierzulande zur Welt, haben die Händler ein leichtes Spiel, weil sie mit gefälschten Papieren den Artenschutz umgehen. Sie verweisen dann darauf, dass die Tiere ja in Gefangenschaft geboren seien. Doch es gibt auch Arten, deren Verkauf und Haltung generell erlaubt sind. Legal zu haben sind unter anderem auch Schlangen wie die Boa Constrictor oder Echsenarten wie die Bartagame.

Viele von ihnen landen später in der Obhut von Markus Baur und seinem Team. Baur leitet die Münchner Reptilienauffangstation, wo im Jahresdurchschnitt fast jeden Tag Echsen oder Schlangen abgegeben werden - vom Zoll beschlagnahmte und ausgesetzte Tiere, oder Reptilien, die deren Besitzer selbst zur Station bringen, weil sie nicht mehr mit ihnen zurechtkommen. Und manchmal kommt die Hilfe dann zu spät. Erst Anfang März wurde das Team der Auffangstation verständigt, als ein Passant in der Nähe von Augsburg am Straßenrand eine Anakonda fand - ausgesetzt in ihrem Terrarium und vermutlich an der Kälte verendet.

Auch Baur glaubt, dass so mancher sich einen Exoten zulegt, um sein Ego aufzupolieren, nur um dann festzustellen, dass das possierliche Tierbaby im ausgewachsenen Stadium nicht mehr so recht ins Wohnzimmer passt. Der Internethandel verschlimmere das Problem zusätzlich. "Einen Händler, der vielleicht in Tschechien sitzt, interessieren Verbote bei uns doch nicht", sagt Baur.

Doch gegen eine pauschale Verurteilung von Exotenhaltern verwahrt er sich. Baur glaubt, dass der Großteil der Halter durchaus verantwortungsbewusst mit ihren Schützlingen umgeht. Nur müssten sich potenzielle Besitzer eben entsprechend informieren. In vielen Zooläden sei die Beratung allerdings nicht ausreichend.

Diese Meinung teilt Karl-Heinz Joachim, Leiter des Münchner Tierheims. Dort landen außer unzähligen Hunden und Katzen auch allerlei exotische Arten: Justin Biebers Affe, Raubkatzen, Braunbären und viele andere. "Das seltenste Tier, das jemals bei uns abgegeben wurde, war ein Alligator, der 1956 am Flughafen Riem beschlagnahmt wurde", sagt Joachim. Was er davon hält, Wildtiere, die oft von Natur aus ein riesiges Revier bewohnen, in engen Wohnungen und auf kleinen Grundstücken einzupferchen? "Das Tier würde wahrscheinlich zum Menschen sagen: Wenn ich dich in deine Toilette sperre, hast du so viel Platz, wie du mir in deinem kleinen Garten gibst."

© SZ vom 05.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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