Fall Mannichl:"Vermutlich nie ein Ergebnis"

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Im Fall des Passauer Polizeidirektors Mannichl finden die Ermittler viele widersprüchliche Hinweise, aber keine eindeutige Spur.

A. Ramelsberger, M. Hägler und S. Wimmer

Der Fall des niedergestochenen Passauer Polizeidirektors Alois Mannichl gibt selbst erfahrenen Ermittlern schwere Rätsel auf. Auch fünf Wochen nach der Tat gibt es keine vielversprechende Spur, zu jedem Indiz findet die Polizei ein Gegenindiz, zu jeder Theorie die Gegentheorie.

Alois Mannichl: Nach der Attacke auf den Passauer Polizeichef ermittelt die Polizei weiterhin in alle Richtungen. (Foto: Foto: ddp)

Die Sonderkommission "Fürstenzell" in Passau arbeitet so abgeschottet, die Informationen über den Fortgang der Ermittlungen tröpfeln so spärlich, dass bereits Kritik aufkommt, die Polizei wolle den Fall am Ende gar nicht aufklären. Selbst hohe Polizeibeamte sagen: "Da wird es vermutlich nie ein Ergebnis geben."

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) tritt dem entschieden entgegen. "Wir wollen ein Ergebnis, wir lassen nichts im Ungefähren versickern", sagte er der Süddeutschen Zeitung. "Aber wir können die Aufklärung nicht erzwingen."

Dubiose Videoaufnahmen

Ende nächster Woche will die Polizei nach Informationen der SZ einen Zwischenbericht abgeben. Zumindest sondert sie nun Spuren aus, die sie in die Irre geführt haben. Am Donnerstag hat die Polizei endgültig die Fahndung nach zwei tätowierten Verdächtigen abgeblasen, die sie bisher mit Phantombildern bundesweit gesucht hatte.

Die Hinweise auf diese Verdächtigen, die eine grüne Schlange hinter dem Ohr und ein Kreuz im Gesicht getragen haben sollen, kamen von einer einzigen Zeugin. Deren Angaben aber stuft die Polizei als nicht belastbar ein. Denn die Zeugin hatte zwar zwei Verdächtige aus der rechtsradikalen Szene an einer Tankstelle "mit hundertprozentiger Sicherheit" erkannt, wie sie der SZ sagte.

Aber auf den Videoaufnahmen der Tankstelle waren weder sie noch die Verdächtigen zu sehen. Die Ermittler suchen aber weiterhin nach einem 1,90 Meter großen Mann mit Glatze, den Mannichl als Täter an der Tür erkannt hat. Für Hinweise auf diesen Mann wurde die Belohnung nun sogar auf 20.000 Euro erhöht.

Nach den Ermittlungspannen kurz nach der Tat, als die Polizei den Tatort nur unzureichend absuchte und die Familie von Mannichl erst nach Tagen verhörte, wird der Fall nun um so genauer untersucht. Die Polizei hat den Überfall nach der Beschreibung nachgespielt, die das Opfer Mannichl vom Tatablauf gegeben hat.

Zwei Polizisten schlüpften in die Rolle Mannichls und des Täters, der ihn am 13. Dezember an der Haustür niedergestochen haben soll. Auf Video wurde der Kampf aufgenommen, auch die Worte des Täters: "Schöne Grüße vom nationalen Widerstand. Du trampelst nicht mehr auf den Gräbern unserer Kameraden herum." Anhand des Videos will man nun die Plausibilität des Ablaufs überprüfen.

Der neueste Stand ist, dass Mannichl den Mann nicht nur auf der Schwelle gesehen und versucht hat, in Sekundenschnelle das Messer wegzudrücken, das ihm der Mann in den Bauch rammen wollte - so wie die Ermittler bisher den Ablauf schilderten.

Nun heißt es, Mannichl sei dem Mann mit dem Messer im Bauch noch nachgerannt, habe gesehen, wie er zur Straße lief und um die Ecke bog. Dann sei Mannichl zu seinem Haus zurückgegangen, auf der Schwelle zusammengebrochen und habe sich das Messer selbst herausgezogen.

Bei den Ermittlern geht man jetzt davon aus, dass das Zusammentreffen von Opfer und Täter mindestens eine Minute, wenn nicht länger gedauert haben muss. Bisher war von Sekunden die Rede, was auch erklären sollte, warum das Opfer keine genaue Täterbeschreibung abgeben konnte.

Spuren in der Familie?

Besonders genau überprüfen die Polizisten von Landeskriminalamt und Mordkommission München derzeit die Familie, sowie Freunde und Bekannte Mannichls. Das wird nach Informationen der SZ noch bis Ende Februar dauern. "Wir haben bis jetzt nicht den geringsten Anhaltspunkt für Auffälligkeiten innerhalb der Familie", sagt ein hoher Verantwortlicher. Sämtliche Familienangehörige seien vernommen, ihre Aufenthaltsorte zur Zeit der Tat anhand der Funkzellenanalyse ihrer Mobilfunktelefone überprüft worden.

Vor zwei Wochen wurde ein Gutachten über den Messerstich beim Rechtsmediziner Wolfgang Eisenmenger in München in Auftrag gegeben. Anhand des Stichkanals soll das Geschehen rekonstruiert werden. Als Mannichl im Dezember ins Krankenhaus kam, wurden Bilder von der Verletzung gemacht. Die zwölf Zentimeter lange Klinge des Küchenmessers war so eingedrungen, dass sie kein Organ verletzt hat.

Eisenmenger sagt, man könne anhand des ärztlichen Bulletins aus Passau und der Bilder einiges erkennen. "Da ist nichts verloren gegangen." Eisenmenger überprüft auch das Messer, auf dem offenbar noch immer keine Fremdspuren gefunden wurden. Der Pullover Mannichls wurde einer Puppe übergezogen, so dass man anhand der durchtrennten Fasern Richtung und Wucht des Stichs erkennen kann.

Das zunächst festgenommene rechtsradikale Ehepaar aus München, das mehrere Tage in Haft saß, hat sich zur Tatzeit um 17.30 Uhr nicht in der Nähe von Passau aufgehalten. Um 19 Uhr wurde es auf einer NPD-Veranstaltung in Erding kontrolliert. Allerdings kann man bei hohem Tempo in dieser Zeit von Passau nach Erding gelangen. Dagegen spricht die Aussage eines V-Manns, der das Paar schon früher auf der Party gesehen haben will. Und dagegen spricht wiederum, dass spezielle Spürhunde am Wohnort Mannichls angeschlagen haben, als man ihnen Kleider der beiden Verdächtigen zum Schnüffeln gab.

"Wir haben ein Dickicht an Hinweisen in jede Richtung", sagt ein Ermittler. "Und wir haben den Weg durch dieses Dickicht noch nicht gefunden. In diesem Fall dürfen wir uns keinen Fehler leisten."

© SZ vom 23.01.09/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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