Europawahl:SPD stürzt noch weiter ab

Lesezeit: 2 min

Tiefer Fall: Die bayerischen Genossen beklagen bei der Europawahl das schlechteste Ergebnis der Nachkriegsgeschichte.

Christine Burtscheidt

"Baby, you understand me now", singt der SPD-Landtagsabgeordnete Linus Förster und greift hart in die Gitarrensaiten, doch die Botschaft kommt zu spät.

Fassungslos: Wolfgang Kreissl-Dörfler (links), und Ludwig Stiegler (Foto: Foto: ddp)

Der Wähler hat die Bayern-SPD abgestraft, schlimmer als je zuvor. Ersten Hochrechnungen zufolge liegen die Genossen bei 12,7 Prozent. Damit fährt die Partei ihr bislang schlechtestes Ergebnis in der Nachkriegsgeschichte ein.

2004 war sie bereits nur auf desaströse 15,3 Prozent gekommen und war damit selbst unter dem Wert der Landtagswahl 2008 gelegen, als die Mehrheit der CSU zwar gebrochen wurde, jedoch die Genossen nur 18,8 Prozent der Stimmen holen konnten. Dass es diesmal noch schlimmer kommen könnte, ahnte Förster am Sonntagvormittag, als er in Augsburg zum Wählen ging und erfuhr, dass er soeben der erste gewesen sei, der für die Partei votiert habe.

SPD-Spitzenkandidat Wolfgang Kreissl-Dörfler ist blass im Gesicht, als um 18 Uhr die ersten Ergebnisse über den Bildschirm flimmern. "Ich bin geplättet", sagt er in der Münchner Parteizentrale. Der 58-Jährige ist auf Platz fünf gelistet und wird sicher wieder in das Brüssler Parlament einziehen. Doch hat er auf Besseres gehofft. Kreissl-Dörfler setzte "auf 20 plus".

Für ein soziales Europa

Tausende Kilometer war Kreissl-Dörfler in Bayern unterwegs und trat gegen ein Lohn-Dumping ein, warb für regulierte Finanzmärkte und nicht zuletzt für ein "soziales Europa". ,,Welche Themen soll man in Zeiten der weltweiten Wirtschaftskrise denn sonst setzen?'' fragt er unsicher in die Runde und sagt: "Mir fällt nichts mehr ein."

Die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Adelheid Rupp hat Tränen in den Augen. "Ich bin fassungslos. Die Inhalte waren doch die Richtigen", sagt sie. Der sonst so wortgewandte SPD-Chef Ludwig Stiegler ist erst einmal still, dann sagt er: "Das Ergebnis ist besonders schmerzhaft. Ich habe mir alles vorgestellt, nur nicht einen Rückgang" und fügt nüchtern hinzu: ,,Wir müssen Haltung bewahren. Die Bäume wachsen für uns eben nicht in den Himmel.''

Nach dem Wahlergebnis scheint der Abstieg der bayerischen SPD zur Kleinpartei unaufhaltsam zu sein. Wo man hinsieht betroffene Gesichter. Bei den Genossen liegen die Wunden offen. Sie müssen sich nun einmal mehr fragen, weshalb sie beim Wähler keinen Stich mehr machen.

"Wir werden schonungslos analysieren, weshalb wir so eingebrochen sind", sagt Vizechefin Rupp. Eines wird klar, schon an dem Abend denkt die Bayern-SPD an die Bundestagswahl, es sind nur mehr drei Monate. Der Bundestagsabgeordnete und oberbayerische Bezirksvorsitzender, Ewald Schurer, bringt es auf den Punkt: "Wir werden alles tun, um bis zur Bundestagswahl unseren Arsch wieder hoch zu bekommen."

Wie man das schaffen will, weiß an dem Abend jedoch niemand: "Ich habe noch keine Erklärung", sagt er. Doch schließt er personelle Konsequenzen nicht aus.

Ein kleiner Trost bei der SPD: Künftig sitzen drei statt zwei bayerische SPD-Europaabgeordnete in Brüssel. Bei bundesweit 21,1 Prozent ist Kerstin Westphal aus Unterfranken und Ismail Ertug aus der Oberpfalz der Einzug gelungen. Stiegler fordert sie später am Abend auf: "Seid ein Team, haltet die bayerische Fahne hoch für ein Europa der sozialen Gerechtigkeit und des Friedens!"

© SZ vom 8.6.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: