Die Personalpolitik der CSU:Methode Politbüro

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Messer raus im Hinterzimmer: Sowohl Erwin Huber als auch Günther Beckstein wurden nichtöffentlich in Parteigremien gestürzt. Im Fall Beckstein ist das besonders prekär.

Kurt Kister

Franz Josef Strauß hat immer gern die Geschichte bemüht. Nun denn: Wer mitansieht, wie die CSU gerade den Austausch ihrer Chefs vornimmt, mag sich an das Politbüro der KPdSU erinnert fühlen. Wenn den Sowjets ein Generalsekretär wegstarb, traf sich der innere Machtzirkel, und nach einigen Stunden oder ein paar Tagen erfuhr die staunende Welt, dass einem Breschnew ein Andropow oder einem Andropow ein Tschernenko folgte.

Die Zeit der geheimen Absprachen ist vorbei. (Foto: Foto: Reuters)

Bei der CSU ist das Verfahren ähnlich exklusiv, nur dass die Chefs da zu ihrem Glück, aber auch zu dem der Bürger, nicht bis zum Tode im Amt bleiben.

Exklusives Verfahren

Die CSU allerdings übertrifft das Gebaren des Politbüros noch: Sie mauschelt nicht nur den oder die Nachfolger aus, sondern sägt vorher auch noch im kleinen Kreis die immerhin durch allgemeine oder wenigstens parteiinterne Wahlen legitimierten Spitzenleute ab.

Sowohl Erwin Huber als auch Günther Beckstein wurden nichtöffentlich in Parteigremien gestürzt, obwohl beide jeweils vorher erklärt hatten, man solle personell nichts überstürzen. Gerade im Falle des Ministerpräsidenten ist dieses ebenso heimliche wie putschartige Vorgehen besonders prekär.

Beckstein nämlich trat an der Spitze der CSU bei der Landtagswahl an. Zwar erlitt die Partei eine verheerende Niederlage. Deren Hauptursache war aber eindeutig nicht die Person Beckstein, sondern die Distanz der Partei zum Wähler und die Arroganz gegenüber dem Bürger. Trotzdem stimmten jene 43 Prozent der Wähler, die immer noch für die CSU votiert hatten, auch für einen Ministerpräsidenten Beckstein. Horst Seehofer zum Beispiel stand überhaupt nicht zur Wahl.

Aus dem Hinterzimmer

Der oberfränkische CSU-Bezirksvorsitzende Karl Theodor zu Guttenberg, der als einer der jungen Reformer in der Partei gilt, drückte am Mittwoch sein Unbehagen so aus: "Wir müssen dringend aus der Hinterzimmer-Mentalität herauskommen." Ein offener Prozess bei der Suche nach dem Nachfolger von Beckstein sei nötig. Fest steht aber, dass sich Hubers Sturz und Seehofers Benennung als Nachfolger nicht als "offener Prozess" abspielten.

Dem Sonderparteitag Ende Oktober wird Horst Seehofer als zu wählender Parteichef schlichtweg vorgesetzt. Betrachtet man diesen Vorgang, so hat die CSU offenbar aus der Wahlniederlage nichts gelernt. Ihr Politbüro fällt wichtigste Entscheidungen fernab der Parteiöffentlichkeit oder gar der bayerischen Bevölkerung.

Sowohl unter Strauß als auch unter dem Strauß-sozialisierten Stoiber galten zwei eherne Grundsätze, die beide anderen politischen Systemen entlehnt waren. "Die Partei hat immer recht", lautete der eine. Und der andere war: "Die Partei bin ich." Diese Mischung aus Einheitspartei-Staat und Sonnenkönigtum wurde zum Markenzeichen der CSU. Die Sonderrolle funktionierte so lange, wie die Bayern ihre Staatspartei sowie den jeweiligen Großen Vorsitzenden stets mit absoluten Mehrheiten ausstatteten.

"Die Partei hat immer recht"

Nun war diese Art der semiautoritären Entscheidungsfindung mit anschließender Akklamation durch Parteitag, Fraktion oder Präsidium so sehr Teil der CSU-Identität, dass auch Edmund Stoiber vor drei Jahren nicht bemerkte, dass sich die Dinge zu ändern begannen. Stoibers einsam beschlossene Flucht vor der bundespolitischen Verantwortung im Oktober 2005 und seine aus der Staatskanzlei heraus gesteuerte Reformorgie waren einerseits so etwas wie die Hochwassermarken der selbstherrlichen Partei- und Volksbevormundung. Andererseits stellten sie den Beginn jener Übel dar, welche die Partei im Oktober 2008 nun nahezu spalten.

Allerdings erfolgte auch Stoibers Sturz nach denselben alten Regeln jener Männergesellschaft, zu der auch einige Frauen zählen. Man versammelte sich in Wildbad Kreuth oder in der Münchner Nymphenburger Straße und schnapste die Politik, vor allem aber die Personalpolitik aus. Dass die CSU zumindest bisher eine sehr autoritätsgläubige Partei war, hatte auch mit den autoritären, erfolgreichen Vorsitzenden Strauß und Stoiber zu tun. Das Modell prägender Vorsitzender, der Wahlerfolge garantiert, ist mit dem als Parteichef eher unsicheren Erwin Huber ausgelaufen. Der Gang der Dinge in der Fraktion in diesen Tagen zeigte auch, dass es gegenwärtig niemanden gibt, der die Partei ordnen kann.

Die Fraktion hat an diesem Mittwoch einerseits versucht, auf die bewährte Weise - Messer raus im Hinterzimmer - die Ministerpräsidenten-Krise zu lösen. Herausgekommen sind ein erleichterter, erlöst wirkender Beckstein und ein sonderbares Quartett von Kandidaten für Bayerns höchstes Staatsamt, von denen jeder Einzelne, stellte er sich denn an der Spitze der CSU-Liste erneut einer Wahl, schlechter abschneiden würde als Günther Beckstein am vergangenen Sonntag.

© SZ vom 2.10.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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