CSU-Sonderparteitag:Ein Hauch von Aufbruch

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In diesem Jahr kam Horst Seehofer nicht als Buhmann, sondern als Messias auf den CSU-Parteitag. Sein Kampfgeist und seine Motivation konnten sogar den ausgepfiffenen Ehrenvorsitzenden besänftigen.

Birgit Kruse

Auf dem CSU-Parteitag hat sich eine angespannte Ruhe breit gemacht. Die Kabinettsmitglieder haben sich von ihren Sitzen erhoben, stehen in kleinen Grüppchen zusammen, unterhalten sich in leisem Ton. Erwin Huber, der nur noch für wenige Minuten Parteichef sein wird, wirkt ruhig. Keine Spur von Enttäuschung ist in seinem Gesicht zu erkennen.

(Foto: Foto: dpa)

Eben haben die Delegierten ihre Stimmzettel zur Wahl des Parteivorsitzenden abgegeben. Die Auszählung läuft noch, als einige Delegierte sich in die erste Reihe zu Horst Seehofer durchgeschlagen haben und ihm nun die Hand schütteln. Sogar sein Sohn Andreas ist an diesem Tag nach München gekommen. Er drängelt sich an den Journalisten vorbei, geht auf seinen Vater zu. Beide drücken sich innig.

Als Justizministerin Beate Merk zaghaft ans Mikrofon klopft, ist klar: Die Stimmen sind ausgezählt, das Ergebnis steht fest. Rasch trinkt Seehofer noch einen kleinen Schluck Apfelsaftschorle, bevor er zum neuen Parteichef ernannt wird - mit 90,34 Prozent der Stimmen. Auf die Frage, ob er die Wahl annehme, antwortet der 59-Jährige: "Ich denke schon." Die Lacher der fast 1000 Delegierten sind ihm sicher.

Der Tag, der für Horst Seehofer mit einem seiner größten politischen Erfolge endet, hat indes ganz unspektakulär begonnen. Ganz unauffällig betritt der Noch-Bundesagrarminister morgens gegen 9.30 Uhr die Messehalle in München - fast eine halbe Stunde zu früh.

Doch anders als vor einem Jahr kommt Horst Seehofer diesmal nicht als Buhmann der Partei. An diesem Tag kommt er als Retter. Mehrfach wird er an diesem Tag noch das Wort "missionarisch" in den Mund nehmen. Ist er auch wirklich der Messias, der die CSU wieder zur alten Geschlossenheit und in eine sichere Zukunft jenseits der 50 Prozent plus X führen kann?

Seehofer jedenfalls glaubt an seine CSU. Er glaubt an künftige Wahlergebnisse, bei denen es wieder um die Größe des X und die absolute Mehrheit gehen wird. "Es ist Kraft in der CSU", sagt er mit seiner gewohnt ruhigen und sonoren Stimme - und spricht schon gleich von der "totalen Geschlossenheit", zu der die Partei nun wieder zurückfinden muss.

Seehofer weiß, wie es um die Gemüter der Delegierten bestimmt ist. "Da ist die Seelenlage aufgewühlt", sagt er. Genau deswegen appelliert er in seiner fast einstündigen Rede auch so sehr an die Basis, Frieden zu schließen, die Grabenkämpfe, die nach der Wahl zwischen den Stämmen aufgebrochen sind, endlich zu beenden. "Wir wären von allen guten Geistern verlassen, wenn wir die Stämme gegeneinander aufbringen würden", sagt er. Es sei jetzt an ihm, "missionarisch" durchs Land zu reisen und alle "Volksstämme zu vereinen."

Dass Seehofer sich einen neuen Politikstil auf die Fahne geschrieben hat, wird bei seiner Rede einmal mehr deutlich. Die Basis will er wieder erreichen, einen Schlussstrich ziehen unter Arroganz und Überheblichkeit, die man der CSU schon seit langem vorwirft. "Wir müssen die Menschen mit ihren Sorgen ernst nehmen und sie nicht gönnerisch mitnehmen", mahnt er. Das sei der Grund für den Vertrauensverlust in die Partei. "Wir müssen die Leute wieder motivieren".

Auch den Delegierten tut etwas Motivation gut. Seit mehr als 40 Jahren kann die CSU erstmals nicht mehr alleine regieren, ist auf einen Koalitionspartner angewiesen. Seehofer weiß, wie schwer es ihnen fallen muss, dem Koalitionsvertrag mit der FDP zustimmen zu müssen - und damit das Ende der Alleinherrschaft im Freistaat endgültig zu besiegeln. Doch er macht den Abgesandten Mut. "Der Koalitionsvertrag ist von uns geschrieben", ruft er in die Halle.

Es gebe keinen Bereich, in dem die CSU nicht ihre Kernbotschaften gegenüber der FDP durchgesetzt habe. Mit wenigen Gegenstimmen und einer Enthaltung stimmen die Delegierten zu - und hoffen, dass Seehofer sein Versprechen einlösen wird: "dass die Koalition in Bayern ein singuläres Ergebnis" bleibt.

Auf der nächsten Seite: Was der ausgepfiffene CSU-Ehrenvorsitzende Stoiber von den Buhrufen und vom Wahlergebnis Seehofers hält.

Sonderparteitag der CSU
:Versteinerter Stoiber, gerührter Beckstein

Impressionen mit Sonderparteitag der CSU in München.

Auch wenn die Basis zunächst nur einen freundlichen Applaus für Seehofer übrig hat, einen Applaus ohne Überschwang - seine Worte sind angekommen. Die CSU-Emissäre scheinen wieder besänftigt zu sein und loben ihren künftigen Ministerpräsidenten und Parteichef. Eine "sehr lebendige Rede" hätte er da gehalten, die "Herzen der Delegierten" hätte er angesprochen und bereits viel aus der Wahlanalyse aufgegriffen und transportiert. Ein Hauch von Aufbruch liegt in der Luft.

Jetzt wirkt selbst Edmund Stoiber zufrieden. In dem Moment, in dem Seehofers Wahlergebnis verkündet wird, breitet sich auf seinem Gesicht ein breites und zufriedenes Lächeln aus. "Das ist ein starkes Signal", diktiert er den Journalisten froh gestimmt in die Blöcke. Nicht einmal die Buh-Rufe, mit denen die Delegierten ihn empfangen hatten, regen ihn mehr auf. "Ach Gott", sagt er nur. Auf einem Parteitag gebe es eben "viele Emotionen". Zuvor war dem früheren CSU-Chef zwischenzeitlich die Gesichtszüge eingefroren.

Nun hat er sich wieder gefangen und findet warme Worte für seinen Nachfolger Seehofer. Stoiber lobt die "sehr starke und mutige Rede" des neuen Parteivorsitzenden. Mit dem Ingolstädter an der Spitze sei er zuversichtlich, dass "wir unser großes Ziel" - also die 50 Prozent plus X - wieder erreichen werden. Sogar das Wort "Aufbruch" kommt Stoiber über die heute ganz besonders schmalen Lippen, bevor er sich wieder seinem Handy widmet. Alles andere wäre auch verwunderlich gewesen. Immerhin ist Seehofer sein Wunschkandidat. Bereits vor einem Jahr wollte er in den Ingolstädter als Parteichef installieren. Und nach dem Debakel bei der Landtagswahl war es der Ehrenvorsitzende, der für Seehofer hinter den Kulissen die Strippen gezogen und ihn schlussendlich durchgesetzt hat.

Von der Niederlage bei der BayernLB, die Horst Seehofer einstecken musste, nachdem der Bankvorstand seiner Forderung nach einem geschlossenen Rücktritt nicht nachgekommen ist, will auf dem Sonderparteitag niemand mehr reden. "Ich sehe ihn alles andere als beschädigt", sagt ein CSU-Bundestagsabgeordneter. Ohnehin scheint in der Entscheidung, dass der Bankvorstand noch amtiert, noch nicht das letzte Wort gesprochen. Seehofer selbst macht in dieser Frage jedenfalls einen recht entspannten Eindruck.

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