Sonderparteitag der CSU:Buhmann Stoiber

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Bevor die CSU Horst Seehofer zum Parteichef wählt, bejubelt sie den Wahlverlierer Beckstein - und zeigt Strippenzieher Stoiber lautstark ihren Unmut.

Birgit Kruse

Wie schlimm es derzeit um das Seelenleben der CSU bestellt ist, wird bereits in den ersten Minuten des Sonderparteitags auf der Münchner Messe deutlich. Günther Becksteins Name wird aufgerufen - und trommelnder Applaus brandet für den Noch-Ministerpräsidenten auf.

Buhrufe vom Parteivolk der CSU: Edmund Stoiber aus dem Münchner Sonderparteitag (Foto: Foto: ddp)

Minutenlang zollen die 1000 Delegierten dem Franken ihren Respekt - keine Spur von Anfeindungen. Keine Vorwürfe für das Wahldebakel, das das Tandem vor wenigen Wochen eingefahren hat.

Und Beckstein ist sichtlich gerührt. Er steht auf, faltet seine Hände über dem Kopf und schaut dankbar in die Menge. Er ist zu Tränen gerührt.

Schon in der nächsten Minute schlägt die Stimmung um. Kaum fällt der Name des Ehrenvorsitzenden Edmund Stoiber, füllen Buh-Rufe die Messehalle in München. Gänsehautatmosphäre. Die Stunde der Aussprache ist gekommen.

Eiskalte Blicke

Für einen ganz kurzen Augenblick stockt Stoibers Gestik. Das ist er nicht gewohnt von seiner CSU. Er war aufgestanden und hat sich den Delegierten zugewandt, als sein Name bei der Begrüßung aus den Lautsprechern schallte. Mit dieser Reaktion hat er anscheinend nicht gerechnet.

Von Betroffenheit ist in seinem Gesicht keine Spur. Im Gegenteil: Stoibers Blick ist eiskalt.

Ohne eine Miene zu verziehen dreht er sich um, setzt sich auf seinen Platz in der ersten Reihe - und liest in der Zeitung weiter, die vor ihm auf dem Tisch liegt.

Doch die Delegierten kümmern sich nicht mehr um die Befindlichkeiten des Ehrenvorsitzenden. "Es liegt Spannung in der Luft", sagt ein CSU-Mann. Und es ist an der Zeit, dass sich diese Spannung in einer ersten Welle entlädt - in einer deutlichen Aussprache, wie es sie schon lange nicht mehr gegeben hat in der CSU.

Huber kritisiert sich selbst

"Wir brauchen einen schonungslose Wahlanalyse", fordert Siegfried Balleis, Oberbürgermeister von Erlangen und eröffnet damit eine Aussprache, in der sich die Delegierten den ersten Frust von der Seele reden werden. Denn, so Balleis, die Seelen der Franken sind verletzt. Für den Balsam sei nun Seehofer zuständig.

Und der Delegierte Peter Erl ist gekommen, um "einen Pflock" einzurammen. Wortreich beklagt er, dass "wir von der Basis nicht mehr gehört und ernst genommen werden." Dass der Werbeslogan "Näher am Menschen" blanker Hohn in den Ohren der Wähler war. Dass der Graben zwischen Basis und Parteispitze einfach zu groß geworden sei.

Ein offener Dialog zwischen allen politischen Ebenen müsse her. Sonst "werden wir wieder verlieren", prophezeit er und wird mit dem Applaus der Delegierten belohnt.

Auch Erwin Huber gibt sich selbstkritisch. Fast schon geläutert tritt er ans Rednerpult - um den Anfang zu machen und all die Fehler anzusprechen, die die Partei in der Vergangenheit gemacht hat.

Erst ein Jahr ist es her, dass die Delegierten den Niederbayern zu ihrem Parteichef gewählt haben. Nur wenige hundert Meter von dem heutigen Parteitag entfernt, haben ihn die Delegierten auf den Schild gehoben, die heute seinen Nachfolger Horst Seehofer wählen.

Vielzahl von Fehlerpunkten

Sie spenden ihm Beifall, als er von dem Konto spricht, auf dem im Wahlkampf eine Vielzahl von Fehlerpunkten verbucht worden seien. Wenn er bedauert, die "Erwartungen des Parteitags nicht erfüllt" zu haben. Auch seine lange politische Erfahrung "schützt nicht davor".

"Mut darf nicht überschnappen in Übermut und schon gar nicht in Hochmut", mahnt Huber die Delegierten. Vielmehr sei es an der Zeit, dass der "dienende Einsatz für die Macht" wieder Einzug in die politische Kultur finde.

"Die Stammwähler dürfen und wollen wir nicht enttäuschen - das haben wie begriffen", sagt Huber. Und der Niederbayer trifft den Nerv der Delegierten, als er ankündigt, man müsse "selbstkritisch nachdenken" über die Fehler der Vergangenheit. "Es dürfe nichts unter den Teppich gekehrt werden."

Bei den Delegierten kommt die neue Form der Aussprache an. "Das war erst der Anfang", sagt ein niederbayerischer Abgeordneter. Und er wird Recht behalten. Nach diesem Parteitag werden die Debatten erst richtig losgehen. An den Stammtischen, in den Bezirken, in der Fraktion und sicherlich auch im Parteivorstand.

Nur Edmund Stoiber wird sich wohl nicht daran beteiligen. Denn der Landesvater a. D. wirkt, als ob ihn all diese Redebeiträge nicht beeindrucken. Die meiste Zeit sitzt er mit verschränkten Armen auf seinem Platz - sein Blick ist eingefroren. Manchmal nickt er.

Vor ihm liegt seine Lektüre, eine aufgeschlagene Zeitung, der Sportteil. Da geht es um den FC Bayern München. Beim Rekordmeister sitzt Edmund Stoiber im Verwaltungsrat. Diesen Posten macht ihm keiner streitig - vorerst.

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:Versteinerter Stoiber, gerührter Beckstein

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