CSU-Parteitag:Die CSU-All-Stars und die magischen fünf Prozent

Lesezeit: 4 min

Startschuss zum Europawahlkampf: Die CSU redet sich Mut zu. Doch ausgerechnet Parteichef Seehofer sorgt für neue Verunsicherung.

Birgit Kruse, Deggendorf

Mit ernster Mine sitzt Horst Seehofer in der ersten Reihe. Immer wieder stützt er seinen Kopf nachdenklich auf die Faust, legt immer wieder die Stirn in Falten, hört den Rednern aufmerksam zu. Auf dem Parteitag in Deggendorf gibt die CSU ihren Startschuss für den Europawahlkampf. In vier Wochen, am 7. Juni, ist der Tag der Entscheidung: Wird es die Partei, die sich noch immer nicht ganz vom Debakel der Landtagswahl erholen konnte, bundesweit über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen? Seehofer selbst wird der Debatte an diesem Tag noch neuen Zündstoff liefern.

Theo Waigel, Horst Seehofer und Edmund Stoiber in Deggendorf. (Foto: Foto: ddp)

Doch zunächst gibt man sich hier in Deggendorf noch ganz zuversichtlich. Mit tiefer, ruhiger Stimme spricht Seehofer zu den Delegierten: "Die CSU ist die Partei Europas", erklärt er ihnen und lobt die Staatengemeinschaft als das "genialste Friedenswerk" der Nachkriegszeit. Deswegen sei es wichtig, "mit Selbstbewusstsein, Zuversicht, Stolz und Freude" auf die Europäische Union zu schauen, an deren Entstehen die CSU "ganz maßgeblich beteiligt war".

Kurz spricht Seehofer noch die Kernpunkte des Wahlprogramms an: Volksentscheide zum Beispiel oder die Direktwahl der Kandidaten. "Dann wäre es mit manchem Glühwürmchen auf der Liste zu Ende", wettert er in Richtung Gabriele Pauli und den Freien Wählern. Das war's dann auch schon wieder mit der Europa-Euphorie des Parteichefs.

Dann macht Seehofer lieber Bundestagswahlkampf: Die Renaissance der sozialen Marktwirtschaft, Steuersenkungen noch vor der Wahl oder die Unterstützung für die Stammwählerschaft der Bauern - das sind seine Themen. "Die CSU bleibt auf dem Pfad der Steuersenkung", sagt er, spricht von Schuldentilgung, die man "der jungen Generation schuldig" sei und lobt die Erfolge bei der Erbschaftssteuerreform.

Für die Bauern, die verärgerte Stammwählerschaft der CSU, hat er sogar schon ein kleines Wahlgeschenk im Gepäck. Man werde "alles versuchen", um die Direktzahlungen der Europäischen Union, die regulär erst Ende des Jahres fällig werden, wenigstens zur Hälfte bereits in der Jahresmitte auszahlen zu lassen. Denn die "Bauern sind das Rückgrat des ländlichen Raums", sagt er und schmeichelt seiner Partei: Selbstbewusst erlebe er sie in diesen Tagen und motiviert. Die besten Voraussetzungen also für zwei erfolgreiche Wahlkämpfe. Horst Seehofer, der Bundespolitiker.

Ein heikles Thema

Für den Europawahlkampf sind an diesem Tag andere zuständig. Zum Beispiel der Spitzenkandidat Markus Ferber. Mit Elan steht er auf der Bühne, mit kräftiger Stimme richtet er seine Botschaft an die etwa 300 Delegierten. Er spricht von einem Europa der Werte und nicht nur der Ideologien, will eine Staatengemeinschaft, die den Menschen realistische Antworten auf wichtige Zukunftsfragen gibt.

Europa - ein heikles Thema für die CSU. Nicht nur, dass am Wahlsonntag Pfingstferien im Freistaat sind - die Europawahlen sind die unpopulärsten Wahlen überhaupt. Das weiß man auch in der CSU. Deswegen versucht Ferber auch mit Humor, die Bürger zu den Wahlurnen zu bekommen. Der Urlaub werde nicht schön, sondern verregnet, sollten die Wähler verreisen, ohne zuvor an die Briefwahl gedacht zu haben. Die Lacher halten sich in Grenzen.

Doch Ferber, den sie hier auch den "CSU-Clooney" nennen, ist mit Elan bei der Sache - was man in diesem Moment vom Parteichef nicht sagen kann. Er spielt an seinem Handy herum, blättert in Unterlagen - und gießt sich gemächlich Milch in den Kaffee, als die Delegierten Beifall für ihren Spitzenkandidaten klatschen. Seehofer hätte eben gerne die Strauß-Tochter Monika Hohlmeier als Spitzenkandidatin ins Rennen geschickt.

Ermutigung durch das Urgestein

Doch auch zwei CSU-Urgesteine sind nach Deggendorf gekommen: Edmund Stoiber und Theo Waigel. In ihrer aktiven Zeit waren sie die ärgsten Konkurrenten. Doch an diesem Tag sitzen sie in der ersten Reihe nebeneinander, pflichten dem anderen bei dessen Rede zu - mit Kopfnicken, mit gemurmelten Kommentaren, mit Beifall. Die alten Fehden scheinen beigelegt - hier geht es um die Sache. Und auch die Delegierten sind Stoiber an diesem Tag wohlgesonnen.

Auf dem letzten Parteitag wurde er noch mit Buh-Rufen begrüßt, da ihn die Anwesenden für das Debakel bei der Landtagswahl verantwortlich machten. In Deggendorf begleitet ihn Beifall auf die Bühne. Und auch das, was er zu sagen hat, kommt an. Stoibers Botschaft: Bayern braucht Europa, braucht jemanden, der den "Moloch Bürokratie" bekämpft. Doch bei den Menschen sei das noch nicht angekommen. "Wir haben ein Problem", konstatiert er und bedauert, dass die "Faszination" bei den Menschen "nicht mehr vorhanden ist". Dass die CSU nach dem 7. Juni wieder im Europaparlament vertreten sein wird, steht für ihn fest.

Auch Waigel, der "Mr. Euro" der CSU, ist nach Deggendorf gekommen, um die Partei Mut zu machen. Es ist eine nachdenkliche Rede, wenn er an seinen gefallenen Bruder erinnert und von einem alten Europa des Krieges spricht. Und es ist zugleich eine zuversichtliche Rede, wenn er an die Chancen für Frieden und Wirtschaft erinnert, die Europa den Menschen bietet. Und so, wie es sich für den "Mr. Euro" gehört, beschwört er die Bedeutung der Einheitswährung. "Aus dem Esperantogeld ist eine Weltwährung geworden", lobt er - nicht ohne daran zu erinnern, wem diese Wohltat zu verdanken ist: "Ohne die CSU gäbe es den Euro nicht".

Doch Waigel ist nicht nur "Mr. Euro". Er ist auch der ehemalige Bundesfinanzminister. Und ganz in der Manier eines Haushälters warnt er vor großen Wahlversprechen. Man sollte den Bürgern sagen, "dass wir in der nächsten Legislaturperiode wenig Wohltaten zu verteilen haben". Eine Stabilisierung und Konsolidierung der Finanzen sei angesichts der Kosten der Wirtschaftskrise "unabdingbar".

"Wir haben die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, unseren Kindern und Enkeln die gleichen Chancen zu geben, die wir selbst gehabt haben", unterstreicht Waigel. Dies bedeute eine "symmetrische Finanzpolitik".

"Micky-Mouse-Sprache"

Doch nicht nur für Europapolitik und Finanzkrise ist hier der richtige Ort, sondern auch für deutliche Kritik am politischen Gegner - etwa an den Grünen, die zeitgleich in Berlin ihren Parteitag zum Bundestagswahlprogramm abhalten. Als "Micky-Mouse-Sprache" kritisiert Generalsekretär Dobrindt den Spruch auf deren Wahlplakat. Als "Comic-Sprache" tut er den Wahlslogan der Grünen "Mit Wums nach Europa" ab. Die gehören "mit Zack in die Tonne", findet er - und erntet Zustimmung.

Weiteres Opfer der Kritik: Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD). Mit seiner Äußerung über das Austrocknen von Steueroasen hat er sich auch den Zorn der CSU zugezogen. Seehofer warf Steinbrück vor "großkotzige Arroganz" vor. Auch kleinere Länder müssten fair behandelt werden.

Für große Verunsicherung sorgt indes eine Äußerung des Chefs. Am Rande des Parteitags spricht Seehofer davon, dass es bei der Europawahl noch viel schlimmer kommen könnte als beim Landtagswahldebakel 2008. Er spricht von "einer Bandbreite von drei Prozent rauf oder runter" im Vergleich zu den knapp 44 Prozent im vergangenen September. Das Eingeständnis, dass die CSU von einstiger Stärke noch weit entfernt ist, wird die Partei sicherlich noch umtreiben.

© sueddeutsche.de/ihe/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: