CSU:Frühlingsgefühle für den Herbst

Lesezeit: 3 min

Nach ihrer Krise schöpft die CSU wieder Hoffnung - und beschwört das Feindbild "Viererkoalition".

Kassian Stroh

Ein neuer, alter Ministerpräsident ist zu beobachten. Günther Beckstein ist sichtlich gelöst dieser Tage, viel lockerer als noch vor einigen Wochen. Es ist wieder der Beckstein zu erleben, der er kurz nach seiner Wahl im Oktober war, einer, der Freude an seinem Job verspürt. Und nicht mehr der andere Beckstein, der in den vergangenen Monaten fast erdrückt wurde von der Bürde seines Amtes und von Tag zu Tag alterte. "Ich bin sehr optimistisch", erklärt Beckstein heute sein neues Strahlen. "Wir legen erheblich zu, die Partei kommt zunehmend in Tritt."

Lasst uns froh und munter sein: Ministerpräsident Beckstein (links) und CSU-Chef Huber schauen optimistisch in die Zukunft (Archivbild) (Foto: Foto: ddp)

Mit wem auch immer aus der Parteispitze man dieser Tage spricht - Grundkonsens ist: Der CSU geht es viel besser als noch vor ein paar Wochen. Und die Parteigrößen wirken, als verbreiteten sie nicht nur Zweckoptimismus, sondern als glaubten sie wirklich daran. Drei Monate vor der Landtagswahl wähnen sie sich wieder überm Berg.

Die, die eher Becksteins Rolle hervorheben, sagen, nun wirke allmählich all das, was der Regierungschef im Herbst angestoßen habe. Nicht nur, aber vor allem auf dem Problemfeld Schule: Seit er im April die Korrekturen am überstürzt eingeführten achtjährigen Gymnasium verkündete, sei dort merklich Ruhe eingekehrt.

Dazu kommt, dass er dank der sprudelnden Steuereinnahmen manche Wohltat versprechen kann. Wenn er in drei Wochen verkündet, was er mit jenen 500 Millionen Euro vorhat, die für den Transrapid gedacht waren, dann will er ein weiteres Ankündigungsfeuerwerk abbrennen: Diesmal sollen High-Tech-Projekte überall in Bayern gefördert werde

. Vorgänger Edmund Stoiber habe immer damit gepunktet, dass er für sich für Innovationen und Fortschritt einsetzte, sagt ein Kabinettsmitglied. Das werde ihm sein Nachfolger nun gleichtun. Und wenn die bayerische Arbeitslosenquote irgendwann in den nächsten Wochen auf den bundesweit niedrigsten Wert sinken wird, wie es sich derzeit andeutet, bedeute das abermals gute Schlagzeilen.

Das ist die eine Lesart. Diejenigen CSUler, die eher die Rolle von Parteichef Erwin Huber betonen, nennen den 5. Mai als Wendepunkt fürs neuerliche Wohlbehagen. Da billigte der CSU-Vorstand Hubers Steuerreformkonzept, das eine bundesweite Debatte über Abgabenentlastungen entfachte. "Die CSU hat die Führung übernommen", rühmt ein Spitzenmann der Partei. "Die Stimmung war schlecht, bis das Konzept gekommen ist."

Freilich: Groß war die Häme der Opposition, als jüngst die CDU Huber mit seinen Vorschlägen bei der gemeinsamen Sitzung in Erding abblitzen ließ. Doch in der CSU wird die inhaltliche Niederlage in einen taktischen Sieg umgedeutet: So lange CDU-Chefin Angela Merkel bei ihrem Nein zur Wiedereinführung der Pendlerpauschale bleibe, habe die CSU ein ideales, weil sehr populäres Thema für den Wahlkampf.

CSU
:Pleiten und Pannen in der CSU

Man sei da ja nicht auf Geschenke von Merkels Gnaden angewiesen, giftete Beckstein in Erding. Damit ärgerte er nicht nur die Kanzlerin, sondern weckte auch bei Huber Bedenken, ob es klug sei, die bundesweit beliebteste Politikerin derart zu attackieren. Dass daraus aber ein Streit, gar ein Zerwürfnis des CSU-Tandems erwachsen sei, dementieren beide entschieden.

Vielmehr demonstriert die CSU auch hier die Kunst der geschickten Umdeutung: Das sei doch eine ideale Rollenteilung, fast wie abgesprochen, zwischen Huber und Beckstein, heißt es. Der erste sei auf einen guten, konsensfähigen Draht zur CDU bedacht, der zweite könne "eher den Löwen" geben, sagt ein Präsidiumsmitglied, und sich so als bayerischer Spitzenkandidat profilieren.

Die Partei gibt sich bescheiden

So sind all die Querelen vom Frühjahr - nach dem Landesbank-Debakel, der Kommunalwahl-Pleite, dem Rauchverbot-Hickhack, der Schnellbeerdigung des Transrapids, den Putschgerüchten - beinahe schon verwunden in der CSU. Auch wenn die jüngsten Umfragen die Partei bei weniger als 50 Prozent sehen, in der Führungsetage ist der Optimismus groß, die absolute Mehrheit verteidigen zu können. Nur recht bescheiden gibt sich diese Partei, die 2003 genau 60,7 Prozent der Stimmen holte.

"52 Prozent sollten es schon sein", sagt Innenminister Joachim Herrmann. Landtagsfraktionschef Georg Schmid bietet jedem eine Wette auf 52,4 Prozent an. Und besonnenere Gemüter in der CSU-Spitze rechnen vor, dass man auch ohne die absolute Mehrheit der Stimmen eine absolute Mehrheit der Landtagssitze bekommen könne: Dass also auch 48 Prozent reichen könnten, eine Alleinregierung zu bilden. Beim "Bürgerempfang" der CSU am Dienstag in Nürnberg sagte Beckstein: "Wir liegen irgendwo zwischen 44 und 52 Prozent." Nun sei von der CSU "Bekennermut" gefordert. Und: "Wir müssen für unsere Ideen missionieren."

Bekennermut, Mission - damit zeichnet Beckstein die Grundlinien für die nächsten drei Monate vor. Der Wahlkampf wird zu einer Glaubensfrage hochstilisiert werden, um die eigenen Anhänger zu mobilisieren. "Wir haben eine gute Grundstimmung, aber noch keine Begeisterung", analysiert ein CSU-Spitzenmann. "Die kriegen wir nur in Abgrenzung vom Gegner." Eine SPD auf Linkskurs, ein Grünen-Beschluss, religiöse Symbole aus den Schulen zu entfernen - das sind für die CSU gleichermaßen Geschenke wie im Wahlkampf zu beschwörende Feindbilder.

"Die Alternative zur CSU-Mehrheit heißt: Viererkoalition unter Maget", sagt ein Kabinettsmitglied. "Und da sagen die Leute: ,Das woll' ma nicht.'" Wohl wissen sie in der CSU, dass es nach wie vor viel Unzufriedenheit gibt über die CSU. "Aber ich sage den Leuten jeden Tag: Für Denkzettel ist nicht die Zeit!", berichtet Fraktionschef Schmid von seinen Wahlkampfauftritten. Dieses Lied wird die CSU die nächsten Monate singen. Parteichef Huber sagt: "Die Zeit läuft für uns."

© SZ vom 20.06.2008/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: