Bundesstraße 12:Bund will Nadelöhr in Passau beseitigen - aber auf dem falschen Weg

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So könnte der Verkehr in Passau geführt werden. (Foto: SZ-Grafik)
  • Eine Nordtangente in Passau ist im Verkehrswegeplan ausgewiesen - mit Dringlichkeit.
  • Niemand in Passau will diese Straße jedoch, weil sie die Bundesstraße 12 kaum entlasten kann.
  • Bürgermeister und Anwohnher fordern stattdessen den Bau eines Tunnels.

Von Magdalena Hechtel, Passau

Biete Haus mit paradiesischer Aussicht und höllischem Lärm vor der Tür: So könnte die Anzeige für eine Immobilie an der Passauer Angerstraße lauten. Wer hier wohnt, blickt auf die Donau samt Panorama der Altstadt. Wenn nur der Verkehr nicht wäre. Zu den Stoßzeiten kommt die Autokolonne am Flussufer nur schleppend voran. Die parallel zur Donau verlaufende Bundesstraße 12 mitten durchs Stadtgebiet ist chronisch überlastet. 40 000 Fahrzeuge, darunter 2000 Lastwagen, brausen täglich an den Vorgärten vorbei.

Der Grund dafür liegt mehr als 40 Jahre zurück. Fast ein ganzer Stadtteil fiel damals dem Ausbau der B 12 zum Opfer, die Bewohner wurden umgesiedelt. Diejenigen, die geblieben sind, sehen sich mit Lärm, Abgasen und erzitternden Häusern konfrontiert. Für eine schnelle Lösung dieser Probleme würden sie alles tun - könnte man zumindest meinen.

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"Wir denken visionär in die Zukunft", sagt Maximilian Moosbauer. 2013 gründete er gemeinsam mit Jugendfreunden die Anwohnergemeinschaft "Die Angerer". Sie sprechen sich für eine umweltverträgliche Lösung des Anger-Staus aus, auch wenn das bedeutet, die Situation noch etwas länger zu ertragen. Ihr Konzept sieht einen Stadttunnel vor, in dem die B 12 zwischen Hackelberg und Ilzstadt unter Tage verlaufen soll.

Eine weitere Röhre durch den Georgsberg soll die Innenstadt mit der B 12 in Richtung Salzweg verbinden und so die Ilzstadt entlasten. Auf den Flächen über dem Tunnel könnte ein neuer Stadtteil entstehen. Diese Vision ist für die "Angerer" vor allem eines: Eine Alternative zu der sogenannten Nordtangente, die sie auf jeden Fall verhindern wollen.

Die Nordumfahrung ist für viele ein Umweg

Die Diskussion über eine Nordanbindung weit außerhalb der Stadt begann bereits 1967, als der Bau der Kreisstraße 40 beschlossen wurde. Schon damals gingen die Überlegungen dahin, einen Autobahnzubringer zur A 3 über Thyrnau, Salzweg und Patriching zu errichten. Dass sie bis heute nicht gebaut wurde, liegt an mehreren Faktoren: Einerseits ergaben Untersuchungen, dass sich trotz Baukosten in Höhe von rund 51 Millionen Euro die Zahl der Fahrzeuge auf der B 12 und der B 388 kaum verringern lässt.

Nur elf Prozent des dortigen Verkehrs, einer Studie der TU München zufolge sogar nur 6,8 Prozent, sind Durchgangsverkehr von oder zur Autobahn. Die restlichen Fahrzeuge kommen aus dem Landkreis nach Passau oder fahren wieder zurück. Dass sie auf eine Nordumgehung ausweichen, ist unwahrscheinlich: Zu groß wäre der Umweg. Auch der Schwerlastverkehr würde Untersuchungen zufolge ohne entsprechende Verbote weiterhin die flache Strecke entlang der Donau nutzen, da die geplante Tangente Steigungen von bis zu sechs Prozent enthält.

Das größte Problem stellt allerdings der Umweltschutz dar: Zwei Brücken müssten für den Verkehr gebaut werden, und das nicht irgendwo, sondern im malerischen Ilztal, das als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen ist. All diese Bedenken teilt die Stadt mit der Bürgerinitiative "Natur ja - Nordtangente nein", mit der die "Angerer" zusammenarbeiten. Doch das Bundesverkehrsministerium ist anderer Ansicht. Das Projekt Nordtangente wurde in den kürzlich veröffentlichten Bundesverkehrswegeplan (BVWP) aufgenommen und als "vordringlich" bezeichnet.

Für Passaus Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD) ist diese Einstufung unverständlich, dokumentieren doch zahlreiche Stadtratsbeschlüsse, "dass es zur Nordtangente eine klare ablehnende Haltung des Passauer Stadtrates gibt". Von der Stadt präferiert wird der sogenannte "Georgsbergtunnel". Geplant war, ab dem "Schanzl" einen Tunnel in den Berg unter der Veste Oberhaus zu bauen und den Verkehr in der Ilzstadt wieder ans Tageslicht zu führen.

Dieser Entwurf wurde allerdings nicht in den BVWP aufgenommen und damit faktisch zu den Akten gelegt. Diese Entscheidung sorgt im Rathaus für Ärger: "Der Stadt liegen keinerlei Unterlagen vor, die dieses Vorgehen rechtfertigen würden. Diese Vorgehensweise des Bundesverkehrsministeriums ist aus Sicht der Stadt nicht akzeptabel", heißt es in einer Pressemitteilung.

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Es gibt aber auch Befürworter. Leonard Anetseder, Altbürgermeister der Gemeinde Thyrnau im Landkreis Passau und Vorsitzender der Bürgerinitiative "Zukunft ohne Passau-Stau", ist begeistert darüber, dass das Projekt Nordtangente endlich vorankommt. In seinen Augen ist der nordöstliche Landkreis abgeschnitten und damit benachteiligt. Das beklagt auch Wolfgang Bauer, Geschäftsführer der Maschinenbau-Firma Jellbauer in Hauzenberg.

Lastwagen seines Unternehmens transportieren Teile mit einem Gewicht von bis zu 100 Tonnen, Unterführungen, etwa die von der Angerstraße in die Ilzstadt, stellen seine Fahrer vor große Probleme. Hinzu kommt die Zeitverzögerung durch den Stau: "Morgens und abends verliert man 30 Minuten", sagt Bauer, "bei Unfällen geht gar nichts mehr." Dabei brauche die ländlich geprägte Region um Passau "barrierefreie Straßen für Waren", um nicht den Anschluss zu verlieren.

Niemand siedelt sich in den Gewerbegebieten an

Für die Nordumfahrung hat sich auch der CSU-Bürgermeister von Wegscheid, Josef Lamperstorfer, ausgesprochen. Für die neue Straße spricht seiner Ansicht nach das im Bundesverkehrswegeplan berechnete Kosten-Nutzen-Verhältnis. Rund 51 Millionen Euro Investitionskosten stehen 990 Millionen Euro Nutzen gegenüber, "das ist, wie wenn man 5,15 Euro investiert und 100 Euro zurückbekommt". Den Umweltschutz sieht er weniger eng, "eine Brücke ohne Pfeiler kann nicht ausschlaggebend sein", außerdem gebe es viele Möglichkeiten, die Umwelt an anderer Stelle zu entschädigen.

Lampertstorfer argumentiert nicht nur für die Gemeinde Wegscheid, sondern auch für seine Nachbarn aus Österreich. Denn jenseits der Grenze tut sich etwas im Straßenbau, die B 388 wird auf österreichischer Seite kontinuierlich ausgebaut. Der Nutzen dieser Maßnahmen hält sich bislang in Grenzen, denn das Passauer Nadelöhr ist Unternehmen bekannt und hält sie bis dato davon ab, sich in der Grenzregion niederzulassen. "Wir weisen Gewerbegebiete aus und kaum jemand siedelt sich an", klagt Lamperstorfer.

Er lädt die Bürger für den 18. April zu einer Podiumsdiskussion zum Thema Nordtangente ein. Auch Politiker aus Österreich werden mit am Tisch sitzen. Ähnliches ist in Passau geplant, zwei Tage vorher, am 16. April: OB Dupper spricht auf einer Kundgebung der Bürgerinitiative "Natur ja - Nordtangente nein". Gegner und Befürworter mobilisieren ihre Lager. Nur in der Ilzstadt und am Anger herrscht weiterhin Stillstand.

© SZ vom 15.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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