Brenner-Basistunnel:Bayern blickt in die Röhre

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Projekt gefährdet: Auf deutscher Seite haben die Planungen für die Infrastruktur der Brenner-Röhre noch nicht begonnen, beim Gotthard-Basistunnel geht es dagegen deutlich schneller voran.

Michael Bauchmüller

Ob es jemals reichen wird, weiß derzeit keiner. Auf vier Gleise, so hatte der Bund den Regierungen in Wien und Rom schon 2009 im "Aktionsplan Brenner" in Aussicht gestellt, könnte die Eisenbahnstrecke zwischen München und der österreichischen Grenze ausgebaut werden, eine Art Autobahn für den Güterverkehr.

Die Arbeiten im Gotthard-Basistunnel sind schon weit fortgeschritten, während es am Brenner bislang nur Erkundungsbohrungen gab. (Foto: REUTERS)

Das ist auch wichtig, denn ob sich der Brenner-Basistunnel jemals rechnet, hängt auch vom Güterverkehr auf der Schiene ab. Trifft der diesseits oder jenseits des Brenners, in Italien, auf Engpässe, dann ist es mit der Rentabilität nicht mehr weit her. Weshalb sich Deutschland und Italien dazu bekannten, "die nördlichen und südlichen Zulaufstrecken zum Brenner-Basistunnel bedarfs- und termingerecht abgestimmt auszubauen". So jedenfalls steht es in der Absichtserklärung von 2009.

Doch die Zeit spielt möglicherweise gegen das Projekt. Obwohl der europäische Korridor Berlin - Palermo, der durch den Brenner-Tunnel führen würde, offiziell das "Vorrangige Vorhaben Nr. 1" ist, sind andere schneller. Denn parallel läuft der Ausbau der sogenannten Rheintal-Bahn. Das ist jene Strecke, die Nordseehäfen wie Rotterdam dereinst mit Norditalien verbinden soll - quer durch die Schweiz. Bis 2017 soll dort der Gotthard-Basistunnel entstehen, der längste Eisenbahntunnel der Welt.

Zwar droht auch hier ein Nadelöhr, denn auf deutscher Seite rühren sich beträchtliche Widerstände. Etwa in Offenburg, das möglicherweise ebenfalls untertunnelt werden muss. Allerdings sind die Planungen hier weit vorangeschritten. Schon im nächsten Jahr könnten Arbeiten für den Ausbau der Gleise im Rheintal beginnen, auch dort soll die Eisenbahn künftig nicht zwei-, sondern viergleisig fahren können. Die Güterstrecke gilt als Rückgrat des Nord-Süd-Verkehrs.

Nicht ausgeschlossen, dass die Freunde des Brenner-Basistunnels deshalb irgendwann in die Röhre blicken müssen. Schon jetzt ist klar, dass sich der Bau des Tunnels in Österreich verzögert. Anders als ursprünglich einmal geplant, soll der Tunnel nicht in diesem Jahr, sondern erst 2016 in Bau gehen. "Mit der Realisierung des Brenner-Basistunnels rechnen wir nun frühestens 2025", heißt es aus dem Bundesverkehrsministerium. "Dann werden die Verkehrsströme über die Alpen so stark zunehmen, dass die vorhandene zweigleisige Verbindungsstrecke auf deutscher Seite dafür nicht mehr ausreichen wird." Ein Ausbau stünde an, rein theoretisch.

Rein praktisch allerdings hängt das vom Nutzen der Strecke ab. Der wird alle Jahre neu erhoben, im Verhältnis zu den erwarteten Kosten. Nur Projekte, deren Nutzen die Kosten übersteigen, haben eine Chance auf Realisierung, dazu muss der Nutzen-Kosten-Faktor größer als eins sein. Erst kürzlich wurde der "Planfall 36" einer solchen Überprüfung unterzogen, auf Basis von provisorischen Daten.

Ergebnis: Ganz knapp, mit einem Faktor von 1,2, erfüllt die Strecke die entscheidende Vorgabe. Sollte der Güterverkehr niedriger ausfallen als angenommen, sinkt der Faktor der 2,6-Milliarden-Euro-Strecke auf eins. Damit hätte sie kaum Chancen auf eine Finanzierung durch den Bund. Zum Vergleich: Bei der Strecke Richtung Gotthard liegt der Faktor bei 2,9. Und sollte die irgendwann in Betrieb sein, könnte sie sogar Nord-Süd-Güterverkehr absaugen. Der Basistunnel am Gotthard würde zur Konkurrenz zu dem am Brenner.

Nun wartet einer auf den anderen. "Bevor wir mit den konkreten Planungen anfangen können", sagt ein Bahnsprecher, "muss erst eine Vereinbarung zwischen den Staaten geschlossen sein." Erst dann aber wird klar, wie teuer die Strecke wird, ob sie sich also überhaupt noch rechnet. Zumal auch noch völlig unklar ist, in welchem Umfang sich die EU an dem Projekt beteiligt. Zwar könnte Brüssel bis zu 20 Prozent der Kosten zuschießen, schließlich ist es ein vorrangiges Projekt. Dass sie aber so viel locker macht, gilt in Regierungskreisen als unwahrscheinlich. Zu erwarten sei wohl nur eine sehr geringe Förderung. Und der Baubeginn? Ganz ungewiss.

© SZ vom 17.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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