Aus den Annalen der bayerischen Geschichte ist häufig zu ersehen, dass brave Bürger eine Gotteslästerung mit dem Leben bezahlt haben. Etwa der 1605 hingerichtete Nürnberger Advokat Nikolaus von Gülchen, dem "Drudenwerk, Blasphemie und Häresie" vorgeworfen wurden.
Die Nürnberger führten den Streit um den rechten Glauben sehr erbittert, was besonders die Künstler zu spüren bekamen. Im Jahr 1525 wurden die Malerbrüder Sebald und Barthel Beham wegen Gotteslästerung aus der Stadt vertrieben.
"Toni, du bist ein Fußballgott!"
Über alle Zeiten hinweg liefen Kulturschaffende Gefahr, wegen blasphemischer Äußerungen den Job zu verlieren. Nicht einmal Fußballreporter waren davor gefeit. So hatte Herbert Zimmermann in seiner Reportage vom WM-Finale 1954 den deutschen Torwart Toni Turek allzu überschwänglich gepriesen: "Turek, du bist ein Fußballgott!" Dafür musste sich Zimmermann später entschuldigen. Es wurde sogar diskutiert, ob er weiter als Sportreporter arbeiten dürfe.
Im Jahr 1948 hatte der bayerische Kultusminister Alois Hundhammer (CSU) in München die Absetzung des im Verdacht der Blasphemie stehenden Balletts "Abraxas" von Werner Egk erzwungen. Dem sittenstrengen Hundhammer missfiel vor allem jene Szene, in der sich Satan mit der widerstrebenden Archiposa vereinigte. Es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit mit Egk, der mit einem Vergleich endete. Egk hatte sich auf den Artikel 108 der bayerischen Verfassung berufen: "Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei."
Syphilis als göttliches Auftragswerk
Schwerer taten sich Künstler, die sich noch nicht auf diese Verfassung stützen konnten, oder gar auf den liberalen Paragrafen 166 des deutschen Strafgesetzbuches, den sogenannten Blasphemieparagrafen. Der in München wirkende Schriftsteller Oskar Panizza veranlasste mit dem grotesken Drama "Das Liebeskonzil" (1894) einen der skandalösesten Blasphemieprozesse der Literaturgeschichte.
Panizzas antikatholische Satire erklärt das Auftreten der Syphilis Ende des 15. Jahrhunderts als göttliches Auftragswerk. Dafür wurde der Autor 1895 zu einer Zuchthausstrafe verurteilt.
Ludwig Thoma musste sechs Wochen in Haft
Gut zehn Jahre später erwischte es Ludwig Thoma. Ihm wurde 1905 das im Simplicissimus veröffentlichte Gedicht "An die Sittlichkeitsprediger zu Köln am Rheine" zum Verhängnis. Thoma machte sich darin über die "Herren Licentiaten" und "Jeremiae Jünger" lustig: "Was wissen Sie eigentlich von der Liebe / Mit Ihrem Pastoren-Kaninchentriebe . . ." Er wurde zu sechs Wochen Haft verurteilt. Der Staatsanwalt hatte argumentiert, auch die Satire müsse "maßzuhalten verstehen".
Blasphemievorwürfen sah sich der Filmemacher Herbert Achternbusch ausgesetzt, der 1982 mit seinem Satirestreifen "Das Gespenst" Anstoß erregte, vor allem mit jener Szene, in der Christus als "Scheiße" angesprochen wird. Die Prüfer monierten, dass die Attacken des Films "ein nur noch pessimistisches und nihilistisches Grundmuster der Welt" erzeugten.
Stoiber hielt Paragraf 166 für "völlig wirkungslos"
In den 90er Jahren sind vermehrt Forderungen nach einer Verschärfung des Blasphemie-Paragrafen laut geworden. "Es darf nicht alles mit Füßen getreten werden, was anderen heilig ist", sagte Ministerpräsident Edmund Stoiber, der den Paragrafen 166 als "völlig wirkungslos" bezeichnete.
Anlässe für öffentlichen Ärger gab es zuhauf: Der Karikaturist Walter Moers hatte 1995 eine Anleitung zur Hostienschändung gegeben. Ein Jahr später hatte der Juso-Landesvorsitzende Florian Pronold in einem satirischen Artikel einer Jugendzeitschrift Jesus als "Lattengustl" verhöhnt.
Staatsregierung gegen "Popetown" auf MTV
Nachdem der Fernsehsender MTV im Sommer 2006 die satirische Zeichentrickserie Popetown ausstrahlte, mit einem infantilen Papst und korrupten Kardinälen, forderte die Staatsregierung, die Definition des "Beschimpfens von Bekenntnissen" deutlich auszuweiten.
Das Satire-Magazin Titanic wagte 2012, als der Vatikan von Enthüllungen erschüttert wurde, den Titel: "Halleluja im Vatikan - Die undichte Stelle ist gefunden". Auf dem Bild war ein Urinfleck auf der Soutane von Papst Benedikt XVI. zu sehen. Ein Gericht entschied, das Titelbild überschreite "jedes Maß an Zumutbarem". Zu einem Prozess kam es nicht.