SZ: Zehn Menschen, die eidesstattlich versichern, dass sie geschlagen wurden; das ist für Sie nicht gravierend?
Müller: Er sagt, dass er niemanden misshandelt hat. Und die damals tätigen Ordensschwestern können die Vorwürfe so nicht bestätigen. Über die inhaltliche und juristische Beurteilung der eidesstattlichen Versicherungen kann ich mir kein Urteil erlauben. Was das Geld anbelangt, fragen sich viele, warum denn der Aufsichtsrat nie etwas angemahnt hat.
SZ: Der Münchner Erzbischof Marx hat den Abt von Ettal wegen der Missbrauchsfälle im Kloster zum Rücktritt gedrängt. Dafür hat der Papst ihn gerüffelt. Wie beurteilen Sie Marx' Vorgehen?
Müller: Offiziell wurde festgestellt, der Abt habe sich keiner Versäumnisse schuldig gemacht. Ich selbst habe weder genügend Kenntnis der Vorgänge noch die entsprechende Zuständigkeit, um hier Stellung zu beziehen. Bei Personalentscheidungen muss immer die Gerechtigkeit an erster Stelle stehen. Ich würde niemanden opfern, nur um ein Problem weniger zu haben.
SZ: Welche Konsequenzen müssen die Missbrauchsfälle haben? Was werden Sie auf der Herbstvollversammlung der Bischöfe vorschlagen?
Müller: Für die Missbrauchsopfer wurde und wird alles getan, was möglich ist. Wir dürfen aber nicht die vielen Millionen Gläubigen aus den Augen verlieren, die davon nicht betroffen sind. Wir müssen die großen Themen der Zukunft aktiv angehen.
SZ: Ist das nicht ein bisschen wenig? Der Wunsch nach Reformen treibt die Menschen in den Gemeinden doch um.
Müller: Sexueller Missbrauch ist entsetzlich. Aber er ist keine allgegenwärtige Gefahr in kirchlichen Einrichtungen. Bei uns gehen jeden Tag 50.000 junge Menschen in Kindergärten und kirchliche Schulen. Die können ihren Lehrern und Erziehern voll vertrauen. Die gute Persönlichkeitsentwicklung ist die Hauptaufgabe.
SZ: Die Austrittszahlen steigen auch im Bistum Regensburg. Die Augustiner in Weiden haben mangels Nachwuchs gerade Kloster und Schülerseminar aufgegeben. Und Sie sagen: Wir müssen nichts ändern an unserer Kirche.
Müller: Die Kirche ist Gottes Werk. Wir Menschen stehen in seinem Dienst. Mir sind einige Orden zu defensiv. Wer sich zurückzieht, wirkt nicht anziehend. Die letzten Monate haben dazu beigetragen, dass Menschen mit lockerer Verbindung zur Kirche, der Familie Gottes, ausgetreten sind. Das tut uns als ihren Brüdern und Schwestern sehr weh. Andere aber sagen: Jetzt setzen wir uns erst recht ein! Ich sehe die Situation nicht negativ. Wir haben gute Leute in den Priesterseminaren und auch ein hervorragendes Engagement der Laien. Vielleicht wird unsere Herde kleiner, aber nicht verzagter.
SZ: Wie wollen Sie dem Priestermangel begegnen?
Müller: Durch Gebet und gute Jugendseelsorge. Im Bistum Regensburg haben alle Pfarreien ihren Pfarrer.
SZ: Noch. Aber das wird sich ändern. Müssen Sie bald jeden nehmen, egal, wie geeignet er ist?
Müller: Lieber weniger als ungeeignete. Wenn die menschliche Reife und die Berufung fehlen, sagen wir einem Bewerber, dass er nicht Priester werden kann.