Bilanz 2017:Neue Rekorde, neue Hürden

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Fachkräfte wie Metallbauer sind weiterhin gesucht, der Wirtschaft in Bayern geht es gut. (Foto: Waltraud Grubitzsch/dpa)

Gute Arbeitsmarktlage schafft andere Aufgaben für Jobcenter

Von Maximilian Gerl, München/Nürnberg

Es ist Zeit für einen Schlussstrich. Und Zeit für die Frage, ob die Arbeitslosenvermittler bald selbst arbeitslos werden. An diesem Donnerstag will die Regionaldirektion Bayern der Arbeitsagentur ihre Bilanz für 2017 vorstellen. Die Zahlen sind beeindruckend. So lag im vergangenen Jahr die Arbeitslosenquote bei 3,2 Prozent und damit nah an der Vollbeschäftigung. Im Schnitt waren bayernweit 231 353 Menschen arbeitssuchend gemeldet - knapp 19 200 weniger als 2016. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stieg auf 5,4 Millionen. Der Laden läuft also. Womit die Frage bleibt: Was haben die Mitarbeiter der bayerischen Jobcenter überhaupt noch zu tun?

Wenn sie bei der Arbeitsagentur solche Sätze hören, lächeln sie vielsagend. Gemeinhin stellt man sich ja ihren Arbeitsalltag so vor, dass die Mitarbeiter am Schreibtisch warten, bis ein Arbeitsloser an der Türe klopft. Die Wirklichkeit aber sieht in Bayern längst anders aus - und stellt die Behörde vor ganz neue Herausforderungen. "Unsere Arbeit wird sehr viel kleinteiliger", sagt eine Sprecherin.

Und die Arbeit erfordert immer mehr Vorausschau. Nur den Status quo verwalten, das geht in Bayern nicht mehr. Auf der einen Seite brummt die Wirtschaft und fragt ständig mehr Arbeitskräfte nach; allein im vergangenen Jahr wurden rund 385 500 neue Stellen gemeldet, 4,5 Prozent mehr als 2016. Im Schnitt dauerte es mehr als 100 Tage, um eine offene Stelle zu besetzen - im Baugewerbe waren es sogar 147 Tage. In einigen Regionen ist der Arbeitsmarkt wie leergefegt. Eichstätt kommt auf eine Jahres-Arbeitslosenquote von gerade einmal 1,5 Prozent. Im Kreis Pfaffenhoffen an der Ilm sind es 1,8, im Donau-Ries 1,9. Selbst frühere Sorgenkinder erreichen neue Niedrigwerte, etwa Schweinfurt-Stadt mit 6,3, Weiden mit 6,1 und Nürnberg-Stadt mit 6,0 Prozent. Auf der anderen Seite gibt es immer noch viele Menschen, die von der guten Arbeitsmarktlage nicht oder nur zum Teil profitieren. Dazu gehören Langzeitarbeitslose, Menschen mit Behinderung, Geflüchtete und Schulabgänger mit schlechten Noten.

Da beginnt die kleinteilige Arbeit. Die Regionaldirektion hat zuletzt die Zusammenarbeit mit anderen Stellen intensiviert und neue Projekte aufgelegt - etwa mit Wirtschaftsverbänden oder Jugendämtern. Die Arbeitsagentur will ein Lotse sein, der Angebote, Förderungen und Ansprechpartner unter einem Dach konzentriert. Beispiel Cura: Bei dieser im Herbst gestarteten Fördermaßnahme kümmern sich Mitarbeiter von Jugendamt und Jobcenter gemeinsam um Kinder und Erwachsene aus sozial schwachen Familien. So soll eine bessere Betreuung möglich werden - und die Erfolgschance in der Jobvermittlung steigen. "Hartz-IV-Karrieren vermeiden", nennt sich das in der Behördensprache. Solche Maßnahmen, heißt es vonseiten der Regionaldirektion, wolle man in Zukunft weiter ausbauen. Auch auf Unternehmen werde man verstärkt zugehen. Offenbar suchen Betriebe noch zu selten die Hilfe der Jobcenter, um ihre offenen Stellen zu besetzen. Dabei bieten diese individuelle Beratungen an. Das Ziel dieser Sprechstunden ist es, passgenaue Lösungen für den Betrieb zu erarbeiten. Gibt es zum Beispiel eine Aushilfe, die man mit etwas Unterstützung für die Azubi-Stelle qualifizieren könnte? Oder Teilzeitkräfte, die Stunden aufstocken würden?

Für 2018 erwartet die Regionaldirektion, dass die Anzahl der Arbeitslosen weiter "moderat sinken" wird; eine Studie spricht von einem Rückgang um 5800 Personen. Auch eine bayernweite Arbeitslosenquote von 3,0 scheint möglich zu sein. So oder so: Die Arbeit in den Jobcentern wird nicht weniger werden.

© SZ vom 11.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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