Bayerns neues Kabinett:Das Aus für die "Sechziger"

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Thomas Goppel, Eberhard Sinner und Josef Miller scheiden aus der bayerischen Landesregierung.

Ch. Burtscheidt, Chr. Sebald, K. Stroh

Seinen Mitarbeitern trug Thomas Goppel auf, am Mittwoch kein Telefonat entgegenzunehmen. Kein Wort, kein Hinweis auf den Ort, an dem sich der Minister aufhielt, nichts war zu erfahren. Goppel wollte nicht noch mehr verletzt werden.

Ein großer Verlierer der CSU-internen Machtkämpfe: Thomas Goppel (Foto: Foto: dpa)

Denn am Ende geht er aus den CSU-internen Machtkämpfen seit der Wahlniederlage am 28. September als der große Verlierer hervor. Wie Joachim Herrmann hatte er hoch gepokert und sich als potentieller Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten ins Spiel gebracht. Doch während Herrmann nun Innenminister bleibt, muss Goppel seinen Posten als Wissenschaftsminister räumen.

Ihm hat es nichts gebracht, Seehofer herauszufordern. Im Gegenteil: Am Wochenende musste Goppel aus dem Radio erfahren, dass sein Ministeramt an die FDP vergeben worden war, und Wolfgang Heubisch, ein politischer Neuling, künftig Goppels Ministerium leiten wird. Entsprechend lustlos soll Goppel am Montag der feierlichen Unterzeichnung des schwarz-gelben Koalitionsvertrags beigewohnt haben.

Womöglich ahnte er da schon, dass sich auch sein letzter Hoffnungsschimmer in Luft auflösen würde: Kultusminister zu werden, wenn Siegfried Schneider als Chef in die Staatskanzlei wechseln würde. Doch Schneider wollte nicht, jetzt, da endlich Geld für Ganztagsschulen und den Abbau übergroßer Klassen vorhanden ist.

Seine Zeit im Kabinett ist wohl auch für Staatskanzleichef Eberhard Sinner vorbei. Schon bei seiner ersten Berufung war er nicht erste Wahl: Edmund Stoiber schuf 2001 ein neues Verbraucherschutzministerium. Aufbauen sollte es Wolfgang Herrmann, der Präsident der TU München. Der aber stolperte über ein Steuerverfahren, so kam plötzlich der Forstwirt Sinner zu Ministerehren. 2003 wurde das Ministerium schon wieder aufgelöst, Sinner wurde ins Europaministerium abgeschoben, bis Stoiber 2005 einen neuen Staatskanzleichef brauchte. Als solcher blieb Sinner weitgehend unauffällig.

Fast 40 Prozentpunkte bei den Landwirten verloren

Josef Miller dürfte die Nachricht von seinem Ausscheiden aus dem Kabinett nicht mehr überrascht haben. Seit langem galt er vor jeder Um- oder Neubildung als Wackelkandidat Nummer eins. Vor allem aber hatte Miller als einer der dienstältesten Minister - kürzlich feierte er sein zehntes Jahr im Amt - das Desaster der CSU bei der Landtagswahl mit zu verantworten. Die Bauern als einstmals treueste Klientel der CSU waren ihr am 28. September in Scharen davongelaufen.

Fast 40 Prozentpunkte verlor die CSU bei den Landwirten, nur noch etwas mehr als die Hälfte machten ihr Kreuz bei der Regierungspartei. Seit dem 28. September war denn auch aus Millers Umfeld zu hören, er habe sich damit abgefunden, dass seine Zeit als Landwirtschaftsminister vorbei sei. Gleichwohl arbeitete Miller bis zuletzt wie gewohnt und nahm zahlreiche Termine wahr. Denn das war schon immer das Höchste für Miller: draußen auf dem Land bei seinen Bauern zu sein.

Tatsächlich konnte auch lange Jahre kein Agrarpolitiker so gut mit den Bauern wie Miller, der aus einem Bauernhof stammt und studierter Landwirt ist. Egal ob über die Feinheiten der Gülleverordnung, die neuesten Richtlinien für den Zuckerrübenanbau oder die Vorgaben für Traktoren-Tankstellen: Wenn es sein musste, debattierte der 61-jährige Memminger mit seinen Bauern bis tief in die Nacht.

Und selbst die anstrengendsten Diskussionen endeten stets damit, dass die Bauern überzeugt waren, dass er letztlich doch auf ihrer Seite steht. Deshalb hat Miller auch der Milchstreik in diesem Sommer so getroffen. Demonstrierte er doch augenfällig, wie unzufrieden die Bauern inzwischen mit der bayerischen Landwirtschaftspolitik sind. burt, cws, kast

© SZ vom 30.10.2008/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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