BayernLB-Affäre:Stille Lasten

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Finanzminister Erwin Huber wusste über die prekäre Lage der Landesbank weit mehr, als er im Landtag sagte. Das dürfte die Opposition freuen, die heute im Untersuchungsausschuss den Ex-Chef der BayernLB als Zeugen geladen hat.

Klaus Ott

Der 12. Februar 2008 war einer der schlimmsten Tage in der langen Karriere des CSU-Politikers Erwin Huber. Der Finanzminister und Parteichef erklärte wortreich im Landtag, dass er zu den Belastungen der Bayerischen Landesbank (BayernLB) infolge der weltweiten Kreditkrise eigentlich nichts sagen könne. Man habe keine genauen, "belastbaren Zahlen".

CSU-Parteichef Erwin Huber wusste über die finanzielle Lage der BayernLB mehr, als er vor dem Landtag zugeben wollte. (Foto: Foto: dpa)

Die Opposition, die Aufklärung verlangte, solle die halbstaatliche Bank nicht schlechtreden, mahnte der Finanzminister. Zur selben Zeit bereitete der Vorstand der BayernLB eine Pressemitteilung vor, in der das Institut Risiken in Milliardenhöhe eingestehen wollte - was tags darauf auch geschah.

Huber war blamiert. Immerhin ist er Vizechef des Verwaltungsrats, der die Landesbank und deren Vorstand kontrolliert. Von der überraschend geplanten Pressemitteilung des Vorstands habe er erst nach seiner Rede im Parlament erfahren, beteuerte der Minister hinterher. Er habe die Abgeordneten nicht angelogen.

Huber hätte aber, wie sich jetzt herausstellt, mit einem Eingeständnis der Milliardenrisiken rechnen müssen. Denn genau jenes Szenario, das im Februar die Regierung und den CSU-Chef bloßstellte, war im Januar bereits im Verwaltungsrat der BayernLB angesprochen worden.

Der Bankvorstand informierte das Gremium bei der ersten Zusammenkunft im neuen Jahr über die vorläufigen Geschäftszahlen für 2007, deren "Härtegrad gut sei". Die Anlagerisiken im darbenden US-Immobilienmarkt, die weltweit vielen Großbanken zu schaffen machen, wurden mit 1,4 Milliarden Euro beziffert. So steht es im Protokoll der Verwaltungsratssitzung vom 22. Januar 2008.

Das dürfte auch den auf Betreiben von SPD und Grünen eingesetzten Untersuchungsausschuss interessieren, der die Landesbank-Affäre aufhellen soll. Huber beharrt bis heute darauf, sich korrekt verhalten zu haben. Auch die 1,4 Milliarden Euro seien "nicht belastbar" gewesen. Die BayernLB erklärt, diese Zahl sei nicht zur Veröffentlichung bestimmt gewesen.

An diesem Donnerstag werden der frühere Bankchef Werner Schmidt, den die Affäre seinen Job kostete, und Sparkassen-Präsident Siegfried Naser im Untersuchungsausschuss als Zeugen vernommen. Sparkassen und Freistaat gehört die BayernLB je zur Hälfte, Naser leitet den Verwaltungsrat, der am besagten 22.Januar die 1,4 Milliarden Euro genannt bekam.

Ein Beamter aus dem Finanzministerium, der dem Kontrollgremium angehört, hakte anschließend nach. Er fragte im Verwaltungsrat, ob die vom Vorstand gewählte Strategie richtig sei, die Öffentlichkeit erst später mit "belastbaren Zahlen" über die Risiken zu informieren.

Der damalige Bankchef Schmidt gab eine aufschlussreiche Antwort. Er verwies auf die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Die LBBW sei aufgrund von Pressemeldungen über Milliardenverluste gezwungen gewesen, "an die Öffentlichkeit zu gehen". Sofern die BayernLB in eine vergleichbare Lage gerate, müsse man mit den Anteilseignern - dem Freistaat und den Sparkassen - eine eventuell notwendige Pressemitteilung abstimmen. Der Beamte aus dem Finanzministerium regte im Beisein seines Chefs Huber für diesen Fall sogar noch an, "vorsorglich eine entsprechende Sprachregelung" zu erarbeiten.

Drei Wochen später, Mitte Februar, war es dann so weit. Die Leipziger Volkszeitung berichtete von angeblichen Risiken bei der BayernLB in Höhe von 2,5 Milliarden Euro. Daraufhin bereitete der Bankvorstand eine Pressemitteilung mit den aktuellen Belastungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro vor, ohne - so die offiziellen Angaben - Naser und Huber zu informieren. Doch die hätten nach der Debatte im Januar im Verwaltungsrat mit einem solchen Vorstoß rechnen müssen.

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Statt sich an die eigene Nase zu fassen, beklagte sich der Finanzminister bei einer über Nacht einberufenen Sondersitzung des Verwaltungsrats über "mangelnde Loyalität" des Bankvorstands. Die Änderung der "Kommunikationsstrategie" hätte erst im Verwaltungsrat erörtert werden müssen.

Vorstandschef Schmidt bekam die Schuld an dem Desaster zugewiesen, er musste kurz darauf gehen. Angesichts der heutigen Erkenntnisse sieht es freilich so aus, als sei ein Bauernopfer gesucht worden. Der Regierung war intern frühzeitig und wiederholt über die prekäre Lage der Landesbank informiert worden, ob nun im Verwaltungsrat oder direkt von dessen Chef und Sparkassenpräsident Naser. Am 22. Januar folgte die bereits recht harte Zahl von 1,4 Milliarden Euro an Risiken.

Doch öffentlich erwähnte Huber anschließend nur eine Zahl: Die Landesbank schätze derzeit die "tatsächlichen Verluste" auf 100 Millionen Euro. Im Landtag attackierte der Minister und CSU-Chef am 30. Januar die argwöhnische Opposition und warnte sie, "ins Blaue hinein zu spekulieren". Huber fügte hinzu, im Zusammenhang mit der vom US-Immobilienmarkt ausgelösten weltweiten Kreditkrise sei bei der BayernLB außerdem "in keiner Weise ein zusätzlicher Kapitalbedarf" erkennbar.

Auch in dieser Hinsicht ist das Protokoll der Verwaltungsratssitzung vom 22. Januar aufschlussreich. Es wurde nämlich über eine Finanzspritze des Freistaats und der Sparkassen für die BayernLB geredet. Der Bankvorstand berichtete, infolge der Risiken in Höhe von 1,4 Milliarden Euro könne die "Kernkapitalquote", in der das Eigenkapital zum Ausdruck kommt, im Verlauf des Jahres auf 6,1 Prozent sinken.

Der Vorstand erklärte weiter, mit einer Kapitalerhöhung um 650 Millionen Euro könne man in den kommenden Jahren "an die Kernkapital-Zielquote von 7 Prozent herankommen". Das würde die Kapitalbasis und Wettbewerbsfähigkeit der Bank stärken.

Kapitalspritze diskutiert

Naser nannte das eine "wichtige Botschaft" und bezeichnete eine solche Kapitalerhöhung als machbar. Huber zog aus all dem laut Protokoll den Schluss, dass es nicht zwingend notwendig sei, das Eigenkapital wegen der "stillen Lasten" zu erhöhen, dass dies aber für die Bank wirtschaftlich vorteilhaft wäre.

Der Minister ließ sich seine Betrachtungsweise vom Bankvorstand ausdrücklich bestätigen. Rein formal hatte Huber also recht, als er dem Landtag acht Tage später berichtete, wegen möglicher Risiken sei keine Kapitalerhöhung notwendig.

Es ist aber schwer nachvollziehbar, dass Vorstand und Verwaltungsrat in dieser Lage über eine Kapitalspritze von 650 Millionen Euro diskutieren, und der Finanzminister im Parlament erst einmal kein Wort darüber verliert. Stattdessen sagte Huber am 30. Januar den Abgeordneten, eine Kapitalzufuhr werde im Zusammenhang mit den Risiken "von niemandem gefordert", der Freistaat werde nicht belastet.

Huber beteuerte, er sage den Abgeordneten "nach bestem Wissen und Gewissen alles, was ich weiß und was jetzt feststeht".

© SZ vom 29.05.2008/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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