Bayerischer Hochstapler:Der falsche Rockefeller

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Jahrelang hielt er Amerikas Society zum Narren, nun führt die Spur des Hochstaplers und mutmaßlichen Mörders in die bayerische Provinz.

H. Effern und M. Rolff

Eigentlich hatte er die Banalität für immer aus seinem Leben verbannen wollen; nun hat ihn eine Realität eingeholt, in der einzig die Banalität Platz zu haben scheint: Das glamouröse Leben des vorgeblichen Milliardärs-Sprösslings J. Clark Rockefeller aus Connecticut/USA, der mit seinen Lügen seit 1993 die Spitzen der amerikanischen Gesellschaft irregeführt haben soll, endet in einem Gefängnis in Boston und in den Vorgärten des Ortes Bergen im oberbayerischen Chiemgau.

Falscher Millionär: In den USA nannte sich der Hochstapler Christian G. J. Clark Rockefeller. (Foto: Foto: AP)

In Boston sitzt J. Clark Rockefeller, 48, ein und verweigert jede Aussage dazu, dass er Christian Karl G. heißen und aus Bergen stammen soll. Und in Bergen sind Mutter und Bruder des mutmaßlichen Christian Karl G. aus ihrem Haus vor der internationalen Presse geflüchtet, während Anwohner die Kamerateams aus ihren Gärten verscheuchen. Nicht nur die New York Times recherchiert seit Tagen im Dorf, und angeblich ist nun das FBI im Anmarsch, denn es geht auch um Mord.

Die Liste der Vorwürfe gegen den falschen Clark Rockefeller ist lang: Er soll Ende Juli seine siebenjährige Tochter entführt haben, für die seine geschiedene Ehefrau das Sorgerecht besitzt. Seit der Entführung, bei der eine Sozialarbeiterin verletzt wurde, interessieren sich die US-Ermittler für eine Menge Fragen: Woher hatte der Mann, den in der Familie Rockefeller niemand kennt, das Geld für seinen luxuriösen Lebensstil?

Warum agierte er möglicherweise unter einem halben Dutzend verschiedener Identitäten? Und was hat er mit dem Verschwinden seiner früheren Vermieter zu tun, einem Paar aus Kalifornien, von dem seit 1985 jede Spur fehlt und in dessen Garten die Polizei ein Skelett fand, verpackt in drei Plastiktüten?

Er wollte schon damals "etwas besseres sein"

Am vergangenen Freitag nun soll der jüngere Bruder von Christian G. den falschen Clark Rockefeller anhand eines Fotos entlarvt haben, das Journalisten des Boston Herald ihm vorgelegt hatten. Seitdem herrscht in Bergen Ausnahmezustand, und bei Bürgermeister Bernd Gietl steht das Telefon nicht mehr still: Amerikas bekanntester Hochstapler stammt aus dem Chiemgau? Gietl kann dann immer nur wiederholen, dass er die Familie G., die für niemanden zu erreichen ist, ja gar nicht kennt und dass er die Angelegenheit auf keinen Fall kommentieren will.

Was Christian G.s Bruder dem Boston Herald erzählt hat, scheint allerdings den Verdacht der US-Ermittler zu bestätigen. Christian G. sei bereits 1978 in die Vereinigten Staaten gegangen, habe dort bei einer Gastfamilie in Connecticut gelebt und sich entschieden zu bleiben, 1985 sei der Kontakt völlig abgebrochen, das Foto von Clark Rockefeller sei nun "ein echter Schock" heißt es in dem Bericht. Auch Christian G.s ehemaliger Gastvater Steve Savio will auf dem selben Foto den ehemaligen Austauschstudenten erkannt haben, der ihn schon damals habe fühlen lassen, "etwas besseres zu sein".

Haben die Ermittler Recht, dann siedelte Christian G. später in das Gästehaus von Johan und Linda Sohus nach Kalifornien über, seine frühere Gastmutter soll er noch einmal angerufen und erklärt haben, er eröffne nun ein eigenes Geschäft unter dem Namen Christopher Crowe. Bei den Sohus' quartierte er sich offenbar unter dem Namen Christopher Chichester ein, Fingerabdrücke auf einer Führerscheinkopie von Chichester stimmen den Ermittlern zufolge mit denen von Clark Rockefeller überein.

Nun kommt heraus, dass der 48-Jährige wohl eher aus Bergen im Chiemgau stammt, wo seine Familie noch wohnt. (Foto: Foto: AP)

1985 verschwand das Ehepaar Sohus spurlos, seine Haustiere ließ es unversorgt zurück, im selben Jahr wurde auch Chichester zum letzten Mal gesehen. Erst 1994 wurde im Garten des Ehepaares ein Skelett gefunden - bei Bauarbeiten für einen Pool, DNS-Tests blieben bislang aber ergebnislos.

J. Clark Rockefeller, der nach der Entführung seiner Tochter vergangene Woche gefasst worden war, schweigt zu den Vorwürfen. Sein Anwalt sagte der New York Post, sein Mandant könne sich an die Zeit vor 1993 nicht erinnern, mit dem Verschwinden des Ehepaares aber habe er nichts zu tun. In US-Medienberichten wird derweil genüsslich das Bild eines Mannes gezeichnet, der in einer Millionenvilla lebte, mit einer hochrangigen Managerin verheiratet war, in New Yorks edelsten Clubs als "wahrer Gentleman" beurteilt wurde, Kunst sammelte und als Cousin des Rockefeller-Erben William galt.

Und dann war er weg

Im Dorf Bergen am Fuße des Hochfelln haben viele Bewohner keine Erinnerung an den Mann, der mit 17 Jahren aus ihrem Leben verschwand. Zu den wenigen, die sich erinnern, gehört Irene Willinger, Besitzerin des Hotels Salzburger Hof. Sie ist ein Jahr jünger als Christian G. der mit ihrem Bruder in die Schule ging. Nach den neun Jahren besuchte er eine Wirtschaftsschule in Traunstein, ehe er einfach ging. "Er hat schon früher gesagt, er geht nach Amerika, und dann war er weg." Der Christian sein schon immer eher ein Bastler und Einzelgänger gewesen. Und der zierliche Bursche habe schon immer anders geredet. "So hochgestochen."

Irene Willinger hat ihn nie mehr gesehen, auch auf dem Bild in den Zeitungen hätte sie ihn nicht erkannt. Bei Klassentreffen habe es geheißen, er sei ein hohes Tier beim Radio oder Fernsehen in Amerika, deshalb könne er nicht kommen.

© SZ vom 12.08.08/pir - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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