Bayerische Staatsregierung:Tadel vom Zukunftsrat

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Die Staatsregierung bekommt erneut Druck von ihrem eigenen Zukunftsrat: In dem unveröffentlichten Bericht kritisieren Herbert Henzler und seine Experten das Betreuungsgeld und fordern eine konsequente Ökologisierung.

Frank Müller und Christian Sebald

Die Staatsregierung bekommt bei einer ganzen Reihe politischer Streitthemen erneut Druck von ihrem eigenen Zukunftsrat. Das von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) eingesetzte 22-köpfige Expertengremium setzt sich in seinem neuen, noch unveröffentlichten Jahresbericht unter anderem kritisch mit dem Betreuungsgeld sowie mit der Agrar- und Naturschutzpolitik auseinander.

Herbert Henzler leitet den Zukunftsrat, dem Wissenschaftler und Wirtschaftsexperten angehören. (Foto: Robert Haas)

Am Montag debattierten die Mitglieder des Zukunftsrats zwei Stunden lang mit dem Kabinett. Das Papier wird nun noch einmal überarbeitet, bevor es Seehofer offiziell übergeben wird.

In dem 127 Seiten umfassenden Entwurf, der der SZ vorliegt, stellen die Wissenschaftler und Wirtschaftsexperten unter Führung von Herbert Henzler ein Szenario für den Freistaat im Jahr 2030 auf. Ein zentraler Punkt ist die Bildung: Schon im Kindergartenalter müsse künftig die Talentsuche und -förderung einsetzen. Durch "mustergültige Ganztagesschulen" und verbesserte Lehrerausbildung solle der Nachwuchs gestärkt werden und so auch Wirtschaft und Gesellschaft.

Dabei findet die Politik der Staatsregierung nur teilweise Unterstützung. Mit dem gerade beschlossenen Einstieg in die kostenlose Kindergartenbetreuung sieht der Zukunftsrat den Freistaat auf dem richtigen Weg. Mit dem von der CSU gegen den Willen der FDP durchgesetzten Betreuungsgeld aber nicht. Dieses soll laut Berliner Koalitionsbeschluss ab 2013 mit zunächst 100 Euro monatlich Eltern unterstützen, die keinen Krippenplatz beanspruchen. Dies sei "eher kritisch zu sehen", heißt es in dem Bericht. In der Diskussion über das Gutachten hielten Seehofer und Sozialministerin Christine Haderthauer nach Informationen aus dem Teilnehmerkreis an den Plänen fest.

Die Agrarpolitiker in der schwarz-gelben Koalition dürfte das Kapitel "Ökologische Entwicklung und Nachhaltigkeit" massiv verärgern. Die Zukunftskommission verlangt darin "eine konsequente Ökologisierung der Landwirtschaft" - sonst seien die Ziele des Freistaats im Klimaschutz, aber auch beim Erhalt der Artenvielfalt unerreichbar. Henzler und Co. wollen auf fünf bis zehn Prozent der Agrarflächen "ein Netz ökologischer Vorrangflächen" etablieren. Außerdem solle der Einsatz chemischer, technischer und gentechnischer Mittel in der Landwirtschaft so restriktiv gehandhabt werden, dass die Natur nicht weiter geschädigt wird. Auch die Energiewende - Stichwort Vermaisung der Landschaft - dürfe nicht zu Lasten der Natur gehen.

Genauso restriktiv stellt sich der Zukunftsrat die neue Verkehrspolitik vor. Das Verkehrsnetz solle optimiert, "aber nicht weiter vergrößert werden", heißt es in dem Papier. Denn die Umweltbelastungen durch die permanent steigende Verkehrsflut seien massiv, beim CO2-Ausstoß genauso wie beim Lärm, beim Flächenverbrauch und bei der Zerschneidung der Landschaft.

In dem Zusammenhang spricht sich der Zukunftsrat auch klar für den Erhalt der freifließenden Donau zwischen Straubing und Vilshofen aus. So wie sich das Gremium auch zu dem höchst umstrittenen Buchen-Nationalpark im fränkischen Steigerwald bekennt, den die Staatsregierung strikt ablehnt. Der Zukunftsrat indes betont, dass die Staatsregierung eine besondere Verantwortung für die letzten urtümlichen Buchenwälder im Freistaat habe.

Wie viel von all den Einschätzungen und Forderungen übrig bleibt, wird man nach der finalen Überarbeitung des Berichts sehen. Der Zukunftsrat selbst weist in seinem vorliegenden Entwurf gleichsam vorsorglich darauf hin, dass er den Auftrag habe, Debatten anzuregen und dabei "auch provokative Ideen" vorzubringen.

Das hatten Henzler und seine Experten schon im vergangenen Jahr zur Genüge getan, als sie ihre umstrittenen Thesen zum ländlichen Raum vorlegten. Dabei setzten sie nach Auffassung vieler Kritiker einseitig auf die Entwicklung der Metropolen. Entsprechend wütend waren die Proteste.

© SZ vom 22.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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