Barrierefreiheit in Bayern:Projekt mit großer Ambition

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In weniger als zehn Jahren soll der öffentliche Raum in Bayern barrierefrei sein. Kosten: 1,5 Milliarden Euro. Die Opposition zweifelt allerdings an der Umsetzbarkeit des Großprojekts.

Von Dietrich Mittler

Bis 2023 soll der öffentliche Raum in Bayern für behinderte Menschen barrierefrei werden. So hatte es Ministerpräsident Horst Seehofer Ende vergangenen Jahres in seiner Regierungserklärung angekündigt. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung beziffert Sozialministerin Emilia Müller erstmals die Kosten für dieses gesellschaftspolitische Großprojekt: "Das Sonderinvestitionsprogramm ist mit Sicherheit auf einem Niveau wie der Breitbandausbau für ein schnelles Internet", sagt die Ministerin. Im Klartext heißt das: Auf den Freistaat kommen bis 2023 Kosten in Höhe von schätzungsweise 1,5 Milliarden Euro zu.

"Wir nehmen da sehr viel Geld in die Hand", erklärt Müller. Allein das Sozialministerium wird bei Finanzminister Markus Söder in den bevorstehenden Gesprächen zum Doppelhaushalt 2015/2016 circa 20 Millionen Euro für dieses Projekt beantragen. Und das ist - auf dem Weg bis 2023 - lediglich der Anfang. "Für mich ist Barrierefreiheit die Basis, damit Inklusion überhaupt gelingen kann", sagt Müller. Ihr sei bewusst, dass die Höhe der eingesetzten Mittel "auch ein Gradmesser für das Ausmaß unserer Bemühungen" sein werde.

"Die Summen lassen sich noch nicht beziffern"

Derzeit sind die involvierten Ministerien dabei, herauszuarbeiten, welche Investitionen in ihrem Bereich voraussichtlich anfallen, um öffentliche Plätze oder Gebäude wie Kindergärten, Schulen, Universitäten, Theater und Behörden für Menschen mit Behinderung ohne Hindernisse zugänglich zu machen - aber auch Busse und Bahnen des öffentlichen Nahverkehrs. Dem Innenministerium wird dabei eine herausragende Rolle zufallen. Dort hält man sich mit Angaben über die voraussichtliche Investitionshöhe vorerst zurück. "Die Summen lassen sich noch nicht beziffern", sagte eine Sprecherin. Einzig für die behindertengerechte Ausgestaltung der Polizeidienststellen im Freistaat gebe es bereits eine Schätzung: Vier Millionen Euro veranschlagt das Innenministerium dafür. Mehr als die Hälfte der 389 Polizeidienststellen sei bereits jetzt barrierefrei.

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Kürzlich erst sprach die Sozialministerin mit Klaus-Dieter Josel, dem Konzernbevollmächtigten der Deutschen Bahn für Bayern: "Er hat mir gesagt, dass schon 80 Prozent der Fahrgäste in Bayern barrierefrei mit der Bahn reisen können", berichtet Müller. Das liege naturgemäß daran, dass das Fahrgastaufkommen im großstädtischen und damit besser ausgebauten Raum deutlich höher sei als auf dem Land. "Ich erwarte, dass bis 2018 dann 86 Prozent der Fahrgäste barrierefrei die Bahn nutzen können, und 2023 muss dies für alle möglich sein", stellt Müller klar.

Experten in eigener Sache

Derzeit geht es aber erst einmal darum, die künftigen Handlungsfelder abzustecken. In diesem Sinne sollen alle Akteure in die Planungen einbezogen werden, also auch die Kommunen, die derzeit argwöhnen, dass die Staatsregierung ihnen erhebliche Kosten aufbürden will. Aber auch die Vertreter der behinderten Menschen selbst sollen angehört werden - so etwa der Landesbehindertenrat. "Das sind Experten in eigener Sache", sagt Müller.

Die Opposition bindet derzeit ebenfalls die Selbsthilfeorganisationen der Menschen mit Behinderung stark ein, um sicherzustellen, dass das von Horst Seehofer angekündigte Großprojekt auch tatsächlich verwirklicht wird. Die SPD erwartet Antworten auf ihre große Anfrage mit nahezu 170 Fragen. Die Skepsis überwiegt, ob das Riesenprojekt in zehn Jahren tatsächlich zu schaffen ist. Angelika Weikert, die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, kritisiert, bereits jetzt reiche das "eingeplante Geld hinten und vorne nicht, um all die sozialpolitischen Versprechen umzusetzen, die die CSU-Staatsregierung im Wahlkampf gemacht hat".

© SZ vom 14.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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