Ausflugstipps:Unvermutete Spitzenleistung

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Quelle: SZ-Karte (Foto: N/A)

Das 3500 Einwohner zählende Ostheim vor der Röhn hat die größte Kirchenburg und den wohl uneitelsten Weltrekordler

Über die Stadt Ostheim vor der Rhön verschafft man sich am besten auf dem Alten Frickenhäuser Weg einen Eindruck. Der führt leicht den Hang hinauf, von dort erkennt man also, wie übersichtlich das Ausmaß dieser Stadt ist. Vor allem im Vergleich zu der riesigen Kirchenburg in ihrer Mitte. Das Gotteshaus aus dem 15. Jahrhundert gilt mit der mächtigen Wallanlage als eine der "größten und besterhaltenen Kirchenburgen" in Deutschland. Wer von Norden aus an die Wallanlage herantritt, liest es so. Von Süden her hat sich die Stadt für eine etwas unfränkischere Formulierung entschieden: die größte und besterhaltene! Wie auch immer, sehenswert ist sie allemal.

Auf der Höhe im Frickenhäuser Weg findet sich aber auch die Werkstatt eines Mannes, der etwas überfordert ist mit der Frage, wie viele Weltrekorde er im Leben aufgestellt hat. Er glaubt, sich an 14 erinnern zu können. Genaueres Zahlenmaterial müsste er in den Akten nachschauen, ist aber nicht sicher, ob das wirklich rekonstruierbar ist. Man müsse das schon verstehen, sagt Walter Binder und räumt erst mal zwei Pokale vom Tisch: die vielen Urkunden, wohin nur damit? Die erste immerhin hat er sich ins Büro gehängt. Sie dokumentiert, wie der Hobbypilot Binder 1980 mit einem bestimmten Segelflugzeug von Ostheim nach Frankreich segelte, 952 Kilometer insgesamt. Ein paar Geschwindigkeitsrekorde hat er auch noch aufgestellt, aber die ganzen Weltrekorde verblassen in seiner Erinnerung verglichen damit, was dem 68-Jährigen wirklich wichtig ist. Als Autodidakt für den Bau von Segelflugzeugen hat er sich vor 30 Jahren selbständig gemacht, davor war er Elektriker. Später hat er am weltgrößten Segelflugzeug mitgebaut. Und heute bestellen sie in England, Frankreich und Amerika vor allem das "eigenstartfähige doppelsitzige Flugzeug der offenen Klasse" bei ihm in Ostheim. Ein Segelflugzeug, das selbst starten kann? War früher eher was für Freaks. Ist heute aber schwer angesagt in der Szene, wenn auch nicht ganz billig. Etwa 340 000 Euro müssen Freunde des Segelflugs bei Flugmotorenbau Binder in Ostheim vor der Rhön anlegen, um nicht nur segeln, sondern auch selbst starten zu können.

Die größte Kirchenburg, die kleinste Zeitung, der wohl uneitelste Weltrekordler Deutschlands, für eine Stadt mit 3500 Einwohnern ist das nicht so schlecht. Da wirkt es verschmerzbar, dass es der Ostheimer Wanderweg an der Lichtenburg - auf etwa sieben Kilometern durchquert man Trockenrasen, Streuobstwiesen und Laubwälder - nur zum Premium-Zertifikat gebracht hat. Auch das Orgelbaumuseum in einem spätmittelalterlichen Schloss ist mit Gewinn anzuschauen, ganz ohne Rekord. Wenn auch die Orgeln aus Ostheimer Produktion in ganz Deutschland und darüber hinaus verbreitet sind.

© SZ vom 25.08.2015 / prz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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