Augsburg:Lehrer wegen sexuellen Missbrauchs vor Gericht

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Er soll den Kindern in die Hose gefasst und sie unsittlich berührt haben: Der Pädagoge einer Waldorf-Schule in München soll sich an fünf Schülern vergangen haben. Nun steht er in Augsburg vor Gericht - zu einem Geständnis kann er sich allerdings nicht durchringen.

Von Stefan Mayr

Der Angeklagte hält sich eine rosafarbene Mappe vor das Gesicht, bis der Vorsitzende Richter die Fotografen und Kameramänner aus dem Gerichtssaal bittet. Peter M. (Name geändert) ist sehr blass und sehr mager, sein olivgrüner Pullover hängt schlaff herunter. Der ehemalige Lehrer der Schwabinger Waldorfschule in der Leopoldstraße sitzt seit einem Jahr in Augsburg in Untersuchungshaft. Vor dem dortigen Landgericht muss er sich seit Montag wegen des Vorwurfs verantworten, fünf seiner Schüler sexuell missbraucht zu haben.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, den Kindern in die Hose gefasst und dort unsittlich berührt zu haben. In einem Fall soll er sogar den Penis seines Opfers in den Mund genommen haben. Die zur Tatzeit zehn und elf Jahre alten Jungen seien entweder auf Klassenfahrt mit dem Lehrer oder zu Besuch in dessen Haus im Landkreis Landsberg gewesen.

Der 58-Jährige folgt der Verlesung der Anklageschrift teilweise mit starrem Blick, teilweise mit gesenkten Augen. Die Ärmel seines Pullovers hat er nach oben geschoben, er legt seine Unterarme auf den Tisch, seine Hände sind krampfhaft verschränkt. Seine Anwältin stellt einen Befangenheitsantrag gegen zwei Richter und fordert den Ausschluss der Öffentlichkeit. Beides ohne Erfolg.

Der Vorsitzende Richter stellt dem Angeklagten eine Strafminderung in Aussicht, falls er gesteht und damit den Opfern eine Zeugenaussage erspart. Daraufhin bittet die Verteidigerin um ein Rechtsgespräch hinter verschlossenen Türen mit den Richtern und der Staatsanwältin. Dieses dauert eine Stunde, führt aber zu keiner Einigung, wie der Richter danach mitteilt. Peter M. sei zwar daran interessiert, dass die Schüler nicht aussagen müssten, ihm falle es aber schwer, einen schweren sexuellen Missbrauch einzuräumen.

21 Fälle von sexuellem Missbrauch

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm insgesamt 21 Fälle von sexuellem Missbrauch und einen Fall von schwerem sexuellen Missbrauch vor. Die Taten sollen hauptsächlich in den Jahren 2011 und 2012 stattgefunden haben, ein Übergriff soll bereits Ende der 1990er Jahre geschehen sein.

Peter M. hat in Baden-Württemberg ein Lehramts-Studium mit der Gesamtnote 1,7 abgeschlossen, danach bildete er sich in Stuttgart zum Waldorf-Pädagogen weiter. Seit 1987 unterrichtete er an der Waldorfschule in Schwabing, bis ihm im August 2012 wegen der Vorwürfe fristlos gekündigt wurde. Seit Oktober 2012 ist er in Untersuchungshaft.

Zu den Vorwürfen macht der Angeklagte keine Aussagen, lediglich zu seinem Lebenslauf und Werdegang als Lehrer gibt er in epischer Breite Auskunft. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Seitdem die Kinder aus dem Haus sind, habe es in der Ehe allerdings gekriselt. Zuletzt habe seine Frau eine neue Beziehung begonnen, der Freund habe sich auch im gemeinsam bewohnten Haus vorgestellt.

Die Frage, ob es an Waldorfschulen üblich sei, dass Schüler im Privathaus der Lehrer übernachten, beantwortet der Angeklagte ausweichend. Früher, so sagt er, sei es normal gewesen, dass die Lehrer der ersten Klassen mindestens einmal das Elternhaus ihrer Schüler besuchten. Wie es aber mit Besuchen der Schüler bei Lehrern aussieht, das lässt er offen. Die Richter haken in dieser Frage nicht näher nach.

Vor dem Gerichtssaal steht eine Frau mittleren Alters, ihr Sohn ist einer der Geschädigten. "Der Herr M. war ein Bilderbuchlehrer, er hat alle zu einem guten Abitur geführt", sagt sie. "Er war immer ansprechbar, man konnte ihn Tag und Nacht anrufen." Er sei ein "Ausnahmetalent" gewesen, das aber nur ein Ziel gehabt habe: "Immer wieder an junge Kinder heranzukommen."

Als der Lehrer ihr anbot, ihren Sohn über das Wochenende bei sich aufzunehmen, habe sie sich sehr gefreut. "Ich dachte, mein Sohn kommt in eine Familie; berichtet die Mutter. Aber offenbar war die Ehefrau des Lehrers gar nicht da. "Ich hoffe", sagt die Mutter, "dass er in Sicherungsverwahrung kommt."

Das Strafgesetzbuch sieht für schweren sexuellen Missbrauch zwischen zwei und 15 Jahren Haft vor. Die Verhandlung wird am Dienstag fortgesetzt.

© SZ vom 08.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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