Allgäu-Roman:Katzenbuckel und sein Weltmeister

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Der ehemalige Stürmer Karl-Heinz Riedle stammt aus dem Allgäu und ist Ideengeber für Klaus Gietingers Buch "Unser Weltmeister". (Foto: imago sportfotodienst)

Das Allgäu hat viele gute Fußballer hervorgebracht, unter ihnen auch Karl-Heinz Riedle, Weltmeister von 1990. Nun erzählt ein Allgäu-Roman rechtzeitig zur Fußball-WM 2014 die absurde Geschichte eines im Leben gescheiterten Balltreters.

Von Hans Kratzer, Memmingen

Wenige Tage nach dem WM-Triumph der deutschen Fußballer im Jahre 1990 ist der Filmregisseur Klaus Gietinger, 59, frohgemut durchs Allgäu gestreift. Dabei spazierte er auch durch den Ort Weiler, aus dem der Weltmeister Karl-Heinz Riedle herstammt. "Am Ortseingang prangte ein riesiges Banner mit der Aufschrift ,Wir begrüßen unseren Weltmeister'", erinnert sich Gietinger. "Da kam mir die Idee, einmal aufzuschreiben, was passiert, wenn so ein Fußballstar in die alte Heimat zurückkommt."

Es ging freilich ein Vierteljahrhundert ins Land, bis der Autor seine Idee endlich zu Papier brachte - gerade noch rechtzeitig zur Weltmeisterschaft 2014, die offenbart, wie dramatisch sich der Fußball verändert hat.

Versautes Business

So mancher in der Wolle gefärbte Fußballfan kann die Kommerzialisierung dieses Sports nur noch mit Sarkasmus und Ironie ertragen. Diese Grundhaltung würzt auch Gietingers Fußball-Roman "Unser Weltmeister", der im weitesten Sinne auch als eine Generalabrechnung mit diesem korrumpierten und versauten Business verstanden werden kann.

Kurz nach seinem Wechsel vom FC Bayern nach Florenz hat selbst der Torjäger Mario Gomez in einer für einen Fußballer erstaunlichen Selbstreflexion darüber geklagt, das der Fußball nur noch Show sei. "Manchmal hat es den Eindruck, als würden in der Gesellschaft nur Katastrophen und Fußball interessieren", sagte Gomez.

Das Allgäu ist ein Brutkasten für Fußballtalente

In der Tat zeigt die bevorstehende WM die fast irreale Bedeutung dieser einstmals "schönsten Nebensache der Welt", die sich in eine Art Ersatzreligion verwandelt hat, die ihre Protagonisten zu Göttern erhebt, um sie dann gegebenenfalls in die Gosse zu stoßen. Auch der eine oder andere Weltmeister aus den deutschen Mannschaften von 1954, 1974 und 1990 ist tief gefallen.

Gietinger greift dieses Phänomen auf jene skurrile Weise auf, die schon seinen Debütfilm (gemeinsam mit Leo Hiemer) "Daheim sterben d' Leut" in den 80er Jahren ausgezeichnet hat. Es war eine Heimatfilm-Satire über bizarre Bräuche, Obrigkeitshörigkeit und Bigotterie im Allgäu!" Gietinger, ein gebürtiger Allgäuer, erzählt die tragikomische Geschichte des 1990er-Weltmeisters Bentele, der nach seinem Absturz in das Heimatdorf Katzenbuckel zurückkehrt. Das Allgäu ist tatsächlich ein Brutkasten für Fußballtalente. Von dort stammen einige der begabtesten Fußballer der Republik her, nennen wir nur den Weltmeister von 1990, Karl-Heinz Riedle. Freilich ist keiner von ihnen so krass gescheitert wie die Romanfigur Bentele.

Katzenbuckler messen sich mit Dortmund und Bayern

Abgebrannt, arbeitslos und dem Alkohol verfallen findet Bentele Unterschlupf auf dem Hof seines Vaters, der ihn aber verachtet. Das Dorf, das ihn bejubelt hat, beachtet ihn nicht mehr. Bentele ist fertig. Doch da ist die Dorfmannschaft, die erstaunlich erfolgreich Fußball spielt. Bentele wittert seine letzte Chance: Er will diesen Haufen in die Bundesliga führen, gegen alle Widerstände des Dorfclans.

Vollends fantastische Züge nimmt der Roman an, wenn die Katzenbuckler sich mit den Bayern und den Dortmundern messen. Diese Absurdität sinkt aber nicht zum kompletten Schmarrn herab, weil Gietinger es schafft, die Geschichte mit viel Lokalkolorit und Situationskomik auf Kurs zu halten. Etwa wenn in brenzliger Lage der alte VW-Bus nicht anspringt und Sofie heftig flucht. "Vom Schreie springt er au it a!", sagt der alte Trainer lapidar. Gietinger trifft den Ton der Allgäuer punktgenau und lässt herrliche Dialektwörter einfließen, nicht zuletzt viele reizende Sputteln, wie die Mädchen im westlichen Allgäu heißen. Zum Schreien auch die Kramerin, die einem Kunden, der Marlboro verlangt, entgegnet: "Mir hond blos Schalem, Mokri und Schtuyveschand."

Das Allgäu, der Fußball und die menschlichen Abgründe einer Dorfgemeinschaft verweben sich in Gietingers Roman zu einer Dreieinigkeit, in deren Kraftfeld der Fußball auf ein schräges, aber angenehmes Normalmaß zurechtgestutzt wird. Das ist in Zeiten des hochgejazzten Bundesliga- und WM-Wahnsinns selbst für einen eingefleischten Fan sehr unterhalt- und erholsam.

Klaus Gietinger, Unser Weltmeister. Eine Allgäuer Tragikomödie, Maximilian Dietrich Verlag, Memmingen 2014, 248 Seiten, 12 Euro.

© SZ vom 11.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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