Aktuelles Lexikon:Schnepfenreuther Kirchweih

Ein nettes kleines Fest in einem Nürnberger Stadtteil, vom Ministerpräsidenten Markus Söder verunglimpft.

Von Olaf Przybilla

Wenn die Regierung in Berlin so weitermacht, so werden - einer Prognose Markus Söders folgend - demnächst alle Tofu-Bratwürste essen müssen. Das Münchner Oktoberfest, so hat er das am Wochenende auf dem CSU-Parteitag prophezeit, werde dann aufs "Niveau der Schnepfenreuther Kirchweih" schrumpfen. Aber hallo, hat Bayerns Ministerpräsident da einem lokalen Fest oder gar ganz Schnepfenreuth eine Breitseite verpasst, zugunsten einer Parteitagspointe? Die Antwort führt exakt hundert Jahre zurück in eine Zeit, in der es um den Ruf Nürnbergs nicht mehr gar so gut bestellt war. Einst freie Reichsstadt und regelmäßig Quartier des Kaisers sonnte sich Nürnberg schon länger nicht mehr in einstiger Reichsherrlichkeit. Für umliegende Weiler freilich war es immer noch reizvoll, sich unter die Obhut der Großstadt zu begeben - und genau das taten die Schnepfenreuther 1923: Sie wurden Nürnberger. Die dortige Kirchweih, fränkisch "Kärwa", inmitten landwirtschaftlicher Gehöfte ist folglich ein Stadtteilfest Nürnbergs, mit Umzug, Festzelt, zünftigem Tanz. Dass der notorische Lokalpatriot Söder mit seinem Gag das Niveau der eigenen Heimatstadt - Nürnberg - in Misskredit bringen wollte, dürfte unwahrscheinlich sein. Es ging wohl eher um die bescheidene Größe dieses Festes in einem lokalen Gemüseanbaugebiet.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: